„Heute dagegen ist die Natur durchschaut und plastisch, ihre Umformung eine Sache der Ausbildung, des Fleißes und der Kosten, und die Menschenzahlen steigen in ebenso steiler Kurve wie Warenmassen. Da die Menschheit nichts Größeres mehr außer sich sieht, muß sie sich selbst umarmen und ihr immer schon wahnhaftes Glücksverlangen von sich selber erwarten. Die dazu gehörende Moral kann alles hinwegschwemmen und auflösen, was dem Triumph über die entleerte Natur und über die mühsame, verblendete und prachtvolle Geschichte entgegenstehen würde. Der unsterbliche Gott wohnt heute in einem anderen Winkel des Universums; der sterbliche Gott ist nicht einmal mehr der Staat, am wenigsten bei uns, sondern die addierte, vorhandene Menschheit, deren Forderungen nunmehr als ein schwer erträgliches Gewicht auf der einzelnen Seele liegen, die keine Sprache mehr findet, um die gefühlte Unmöglichkeit einer ‚absoluten‘ Moral zu begründen.“
-Arnold Gehlen, Moral und Hypermoral, S.141f.-