Buchauszug: Dr. Yasemin Shooman – Muslime und Juden trennen nicht nur Dinge, es eint sie auch vieles

» […] Studien [belegen], dass Menschen, die antisemitische Einstellungen zeigen, auch verstärkt antimuslimischen Aussagen zustimmen – und umgekehrt.

Dies verdeutlicht bereits: Muslim*innen und Jüdinnen*Juden trennen nicht nur Dinge, es eint sie auch vieles – wie der Umstand, eine religiöse Minderheit in Deutschland zu sein. Das Ausloten des Spannungsverhältnisses zwischen Anpassung an eine Mehrheitskultur und Bewahrung von Eigenständigkeit und Tradition ist eine Schnittmenge jüdisch-muslimischer Interessen, die eine gute Basis für den Dialog sein kann.

Auch wenn es heute in erster Linie Muslim*innen sind, an deren sichtbarer Präsenz sich die Fragen von Norm und Abweichung eines sich als säkular verstehenden Europas entzünden, so rufen diese Debatten doch stets auch die jüdische Erfahrung der Assimilationsforderungen durch die Mehrheitsgesellschaft als Voraussetzung für die Gewährung von gesellschaftlicher Teilhabe im späten 18. Und frühen 19. Jahrhundert ins Gedächtnis.

Der Anpassungsdruck an ein christliches, genauer gesagt: protestantisches Verständnis von Religion als einem inneren Glauben und als Privatsache, der man innerhalb der eigenen vier Wände nachgeht, stellt für praktizierende Muslim*innen und Jüdinnen*Juden gleichermaßen eine Einschränkung dar.

Denn für beide spielen die an religiösen Gesetzen ausgerichteten (Alltags-) Handlungen – wie die Einhaltung von Speisegesetzen, von Kleidungsvorschriften oder das ritualisierte Gebet – eine besondere Rolle.

Darüber hinaus hat nicht zuletzt die Beschneidungsdebatte, die 2012 die Gemüter in Deutschland erhitzte, gezeigt, wie schnell im Zuge von Angriffen auf die muslimische Minderheit auch die Ressentiments gegen religiöse Bräuche des Judentums (re-) aktiviert werden können.«

(Dr. Yasemin Shooman, Leiterin der Akademieprogramme des Jüdischen Museums Berlin, im Vorwort des Buches Fremdgemacht & Reorientiert || jüdisch-muslimische Verflechtungen, Verlag Yilmaz-Günay)

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

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