Buchauszug: Nun, was ist eigentlich der Staat?

„Das Wort Regierung, gebraucht als Name einer politischen Institution, bringt den alten Glauben der wilden Stämme zum Ausdruck, gemäß diesem ist die Menschliche Einheit ein Kollektivum und mit einem überindividuellen Willen versehen, das die Menschen regiert, aus denen es gebildet ist. Das Wort bedeutet, daß ein Mensch oder eine Gruppe von Menschen (Hitler, Stalin, Präsident, Premier, Kongreß oder Parlament) den kollektiven Willen  zum Ausdruck bringen und tatsächlich die physische Lebensenergie anderer handelnder Menschen kontrollieren können.

Ein vernünftiger Name für eine politische Organisation ist «der Staat». Nun, was ist eigentlich der Staat?

Viele Denker, von Plato über Rousseau zu Hegel, Marx, Spengler und Toynbee haben den Staat beschrieben und auf vielen Arten definiert. Jeder, der sich die Tatsachen seiner eigenen, alltäglichen Erfahrung vor Augen hält, wird die Richtigkeit dieser (folgenden) Definition anerkennen.

«Der Staat ist eine organisierte Gruppe von Menschen, die das legale Monopol besitzen, physische Gewalt durch Personen gegen Personen anzuwenden, die in einem bestimmten geographischen Raum leben.»

Diese Tatsache ist offensichtlich. Jeder, der in der Zivilisation lebt, kennt sie. Die legale und allgemein anerkannte Anwendung von physischer Gewalt durch Personen gegen andere Personen stellt den einzigen Unterschied dar zwischen dem Staat und jeder anderen organisierten Gruppe von Menschen in der Zivilisation.

Wenn ich einem andern sein Besitztum mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt entreiße, so bin ich ein Räuber; der Staat müßte mit Recht Gewalt gegen mich anwenden, um mich aufzuhalten und meinen gewaltsamen Diebstahl zu verhindern. Wenn der Steuereinnehmer fremden Besitz an sich reißt, so ist er der Staat; jedermann weiß, daß, wenn ein Bürger oder Untertan versucht, sich der Steuerentrichtung zu widersetzen oder sich ihr zu entziehen, der Staat ihm mit Gewalt dieses Geld abnehmen wird; denn der Staat hat das gesetzliche Monopol, Besitz mit Gewalt zu nehmen. Wenn ich mit Gewalt Hand an einen anderen lege und ihn mit Gewalt zurückhalte, gegen seinen Willen, so bin ich ein Kidnapper, den der Staat ergreifen und bestrafen sollte; der Polizist, der den Räuber und Kidnapper verhaftet, abführt und einsperrt, gebraucht mit Recht das Staatsmonopol, das ihm die Anwendung körperlicher Gewalt gegen Personen erlaubt. Wenn ich jemanden töte, begehe ich einen Mord. Wenn der Staat Personen tötet, so stellt er damit sein Monopol unter Beweis, das ihm die Tötung von Menschen in bestimmten Fällen gestattet.

Aus dieser allgemein bekannten Tatsache ergibt sich, daß wo auch immer die Anwendung physischer Gewalt von Personen gegen Personen nicht notwendig ist, der Staat auch nicht notwendig ist. Das ist eine unumstößliche Tatsache. Leider bemerken zu viele durch Theorien verblendete Denker diese offensichtliche Tatsache nicht.“

(Die Amerikanische Revolution – ein Fanal der Freiheit, original: The Discovery of Freedom, von Rose Wilder Lane, übertragen aus dem Amerikanischen, bearbeitet und erweitert von Jean Pierre Hamilius, Seite 44-45)

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

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