Materialien zur Geschichte der Wahaby – 07.1 – Kriegsberichterstattung

Während meines Aufenthalts in Arabien habe ich mich öfters nach einer geschriebenen Geschichte der Wahaby erkundigt, indem ich es für wahrscheinlich hielt, dass irgendein gelehrter Mann von Mekka, oder Medinah ein solches Werk geschrieben haben könnte; aber meine Bemühungen waren fruchtlos. Niemand zeichnet tägliche Vorfälle auf, und der Tag, an welchem sie sich ereignet haben, ist bald vergessen. Manche Personen sind zwar recht gut in Betreff der Dinge unterrichtet, welche in ihrer eigenen Nachbarschaft vorgefallen sind, wissen aber wenig von dem, was sich in der Entfernung zugetragen hat; und ehe eine vollständige und befriedigende Schilderung der Angelegenheiten der Wahaby entworfen werden kann, müsste man jedenfalls alle Teile Arabiens zuvor durchreisen. Bagdad ist wegen der Nähe von Nedschid, dem Mittelpunkt der Herrschaft der Wahaby, unter gegenwärtigen Umständen Wahrscheinlich derjenige Ort, wo sich die genauesten Nachrichten sammeln lassen.

Ich will hier nur einzelne Umstände in Bezug auf die Geschichte dieses außerordentlichen Volkes aus dem Zeiträume vor der Wiedereroberung von Hedschaz durch die Türken mitteilen. Dieses Ereignis bin ich selbst ziemlich genau zu beschreiben im Stande, weil ich mich während des Krieges gerade in dieser Provinz aufgehalten habe.

Die Wahaby hatten ungefähr seit 30 Jahren ihre Lehrsätze aufgestellt, zahlreiche Proselyten gemacht, nach und nach Nedschid erobert und die meisten großen Beduinenstämme sich unterworfen, welche während des Frühlings in dieser Provinz ihr Vieh weiden und alsdann sich in die Wüste begeben. Es war aber kein Krieg erklärt worden, auch hatten die Wahaby keine Eingriffe in die Rechte der beiden, ihnen zunächst gelegenen, türkischen Gouvernements gemacht, nämlich in dasjenige von Bagdad gegen Norden, und in dasjenige von Hedschaz gegen Süden. Die Pilgerkarawanen zogen von Damaskus und von Bagdad ohne die geringste Belästigung durchs Gebiet der Wahaby. Ihr Wachstum an Macht, und der Eifer, mit welchem sie ihre Lehrsätze verbreiteten, scheinen zuerst die Eifersucht der Scherif Ghaleb erregt zu haben. Unter seiner Autorität, und zum Teil auch unter seinem Einfluss, standen alle Stämme, welche sich in Hedschaz niedergelassen hatten, und auch mehrere an der Grenze dieser Provinz.

Die Versuche, welche Abb el Azyz gemacht hatte, letztere zu seinen Anhängern zu machen, nachdem er ihre Nachbarn sich unterworfen hatte, konnte Ghaleb nicht mit Gleichgültigkeit ansehen, den wir mehr als einen mächtigen Beduinen-Scheikh, denn als einen Fürsten des Morgenlandes zu betrachten haben; und dieselben Ursachen, welche zwischen allen großen benachbarten Stämmen der Wüste beständige Kriege erzeugen, streuten auch den Samen der Uneinigkeit zwischen ihm und den Wahaby aus. Einige Jahre, nachdem Ghaleb zur Regierung von Mekka gelangt war, ließ er sich zum ersten mal 1792, oder 1793 mit den Wahaby in offene Feindseligkeit ein und setzte diesen Krieg fort, bis zur endlichen Übergabe von Mekka.

Seine Partei wurde alsdann durch die südlichen Stämme Begum (zu Taraba), Beni Salem (zu Beische), Ghamed (in Zoran) und die zahlreichen Beduinen an der Grenze von Tayf verstärkt. Diese Kriege wurden nach der Weise der Beduinen geführt und nur durch sehr kurze Waffenstillstände unterbrochen. Beide Parteien machten unvermutete Einfälle in das feindliche Gebiet, und es wurde von beiden Seiten Beute gemacht, ohne großen Verlust, oder Vorteil. Ghaleb, welcher damals in regelmäßiger Korrespondenz mit der Pforte stand und jedes Jahr die Pilgerkarawanen empfing, ließ kein Mittel unversucht, die türkische Regierung gegen seine Feinde einzunehmen. Er schilderte sie als Ungläubige; und ihr Benehmen gegen die türkischen Pilger war keineswegs geeignet, diese ungünstige Meinung zu entfernen. Die Pforte lieh diesen Schilderungen umso bereitwilliger Gehör, als die Paschas von Bagdad Anzeigen ähnlichen Inhaltes gemacht hatten. Gleich dem Scherif von Mekka, übte auch der Pascha von Bagdad einen Einfluss über viele Beduinenstämme in seiner Umgebung aus. Mehrere dieser Stämme waren bereits im Kriege mit den Wahaby, deren Unternehmungen längs den Ufern des Euphrats ein Gegenstand des Schreckens waren. Die Gegend um Basra wurde fast jedes Jahr von einem Heere dieser Sektierer heimgesucht, und viele arabische Landbauern am südlichen Ufer des Flusses, die Untertanen des Paschaliks von Bagdad waren, wurden von ihnen ermordet.

Die persischen Pilger, welche über Bagdad und Derayeh nach Mekka zogen, klagten auf dem Rückwege noch mehr über die großen Bedrückungen von Seiten der Wahaby, deren Oberhaupt sie ein sehr hohes Kopfgeld, oder Durchgangszoll hatten bezahlen müssen.

Zur Unternehmung eines Angriffes auf Derayeh schien sich nun keine Stadt an der Grenze Arabiens so gut zu eignen, als Bagdad. Der Pascha dieser Stadt besaß indessen so wenig pecuniäre[1] Hilfsmittel, und seine Autorität war selbst innerhalb seiner eigenen Provinz noch so unvollständig anerkannt, dass bis zum Jahre 1797 keine tätlichen Feindseligkeiten unternommen werden konnten. Um diese Zeit wurde der Plan zu einem Überfalle von Derayeh entworfen. Soleyman Pascha war damals Gouverneur von Bagdad und zeichnete sich durch Tapferkeit, Energie, Gerechtigkeit und alle diejenigen Talente aus, die ein türkischer Großbeamte haben muss, wenn er seinen Posten zu behaupten wünscht. Sein Untergouverneur wurde mit der Anführung der Expedition beauftragt, die von Bagdad auszog. Die Armee bestand aus 4 bis 5000 türkischen Truppen und doppelt so viel arabischen Bundesgenossen von den Stämmen Dhosyr, Beni Schammar und Montefek. Sie marschierten in gleicher Linie mit dem Persischen Meerbusen durch ein wüstes Land, wo auf jeder Station Brunnen anzutreffen sind. Zuerst wendeten sie sich nach der Provinz el Hassa, dem reichsten und fruchtbarsten Teile des Gebietes der Wahaby.

Statt von hieraus sogleich auf Derayeh zu marschieren, welches nur fünf, oder sechs Tagereisen entfernt lag, belagerten sie die Zitadelle el Hassa, die sie ohne Schwierigkeit zu nehmen glaubten. Sie leistete indessen länger, als einen Monat Widerstand, und das Anrücken einer starken Armee der Wahaby unter Sauds Anführung, während Abd el Azyz zu Derayeh geblieben war, machte den Erfolg sehr zweifelhaft, sodass die Türken sich zurückzuziehen beschlossen. Saud hatte diese Maßregel vorhergesehen, machte sich früher als die Türken auf und lagerte sich mit seinen Truppen bei einem der Brunnen, namens Thadsch, etwa drei Tagereisen von el Hassa entfernt. Den anderen Brunnen, welcher etwa zwei Meilen davon entfernt lag, machte er dadurch unbrauchbar, dass er mehrere Kamelsladungen Salz hineinwarf, welche er für diesen Behuf[2] mitgebracht hatte. Die Truppen von Bagdad lagerten sich an diesem Brunnen, und es lässt sich begreifen, wie sehr Menschen und Vieh von der Qualität des Wassers gelitten haben: auch hielt man es nicht für rätlich, aufzubrechen, indem Saud sich leicht unversehens auf die Armee hätte stürzen können. Saud wagte aber nicht, die Türken anzugreifen, deren Artillerie ihm und seinen Arabern ein Gegenstand des Schreckens war. So blieben die beiden Armeen drei Tage lang einander gegenüber, und nur ein einzelner Reiter wagte sich manchmal von der einen, oder der anderen Seite in die Ebene zwischen den beiden Lagern. Es begann eine Unterhandlung, in welcher auf sechs Jahre zwischen den Wahaby und dem Paschalik von Bagdad Frieden geschlossen wurde, worauf beide Armeen ruhig in ihre Heimat zogen.

Das Misslingen dieser Unternehmung war die erste Veranlassung des Missgeschickes, welches bald nachher den Türken von allen Seiten zu Teil wurde, indem die Wahaby jetzt gelernt hatten, die türkischen Truppen zu verachten. Eine persische Pilgerkarawane mit einer Bedeckung von Wahaby war zwischen Helle und Meschhed von Arabern, die unter der türkischen Jurisdiction von Bagdad standen, angegriffen und fast vollständig ausgeplündert worden. Nun zeigten sich auch plündernde Wahaby-Abteilungen in der Gegend von Basra, und die Verheerung von Imam Hossein im Jahr 1801 erfüllte alle echten Muselmänner mit Schrecken und machte die Wahaby sehr gefürchtet. Die Verehrung, welche man dem Grabe von Mohammeds Enkel in dieser Stadt zu widmen pflegte, war hinlänglicher Grund, den Zorn der Wahaby sich zuzuziehen. In dieser Stadt wurden 5000 Personen niedergemetzelt. Alte Männer, Weiber und Kinder wurden verschont, und auch das Viertel, welches den Namen Haret el Abbassye führte, wurde um dessen Willen verschont, weil die Wahaby das Andenken der Stifter desselben ehrten. Die Kuppel von Hosseins Grabe wurde zerstört, aber die Schätze dieser Moschee, wie auch diejenigen von Meschhed Aly waren geborgen und später nach Bagdad geschafft worden. Die Wahaby hatten an die Mauern der Stadt el Hossein abgehauene Palmenbäume gelegt und auf diese Weise erstere erstiegen. Fünf, oder sechs Tage lang dauerte das Niedermetzeln der Einwohner und die Plünderung der Stadt. Nachher zogen sie sich zurück und griffen die arabischen Landbauern am Fluss Schat el Arab an, wurden aber vom Stamme Zebeyr und auch von den Bewohnern von Meschhed Aly zurückgeschlagen. Sie brachten jedoch alle früher gemachte Beute davon und kehrten in ihre Heimat zurück.

Nach der Plünderung von Imam Hossein scheinen die Wahaby ihre Pläne sehr erweitert zu haben, besonders nachdem eine zweite Expedition aus der Gegend von Bagdad fehlgeschlagen war. Der Scheikh des Stammes Montefek, namens Thuyny begleitet von allen seinen Leuten und den Stämmen Dhosyr, Schammar und Beni Kab, war mit einem Korps türkischer Soldaten nach Nedschid marschiert. Ohne sich bei el Hassa aufzuhalten, waren sie sogleich auf Derayeh losmarschiert und erreichten den Brunnen Szebeyhy, eine Tagereise entfernt von dem sehr besuchten Brunnen el Koweyt, der noch fünf, oder sechs Tagereisen von Derayeh entfernt war. Während die Truppen hier sich gelagert hatten, wurde der Anführer Thuyny von einem fanatischen Wahaby, einem Sklaven aus dem Stamme Khaled, ermordet. Saud rückte sogleich herbei, und die Soldaten von Bagdad flohen. Aber mehrere Tausende von ihnen, welche die Wege nicht kannten, wurden erschlagen, obschon die meisten Truppen der Beduinen entkamen. Viele der erstem kehrten in der nächsten Nacht nach dem Brunnen Szebeyhy zurück, um Wasser zu bekommen und in der Hoffnung, unbemerkt zu bleiben, oder als Gefangene behandelt zu werden. Aber Saud ging von seiner bestehenden Gewohnheit nicht ab und ließ sie alle von seinen Arabern töten.

Die Araber von Nedschid und der nördlichen Wüste waren menschlicher, als die andern. Sie verbargen viele ihrer unglücklichen Feinde in ihren Zelten, gaben ihnen Wasser auf den Weg und entließen sie vor Tagesanbruch, während dagegen die südlichen Beduinen (besonders diejenigen der Stämme Kahtan und Ateybe) ohne Gnade diejenigen töteten, welche vor ihren Zelten standen. Aber selbst damals konnten die Beduinen, wie auch ihr Fanatismus, oder die Befehle ihres Oberhauptes beschaffen gewesen sein mögen, nicht gänzlich ihre Gefühle unterdrücken, und ein Augenzeuge hat mir die Versicherung gegeben, dass jeder Gefangene erst seinen Durst löschen durfte, ehe er den Todesstoß empfing. Ich habe bereits erwähnt, dass das Oberhaupt der Wahaby das Recht des dakheil zu Gunsten eines Individuums, welches nach dem Gesetze der Wahaby als ein Feind mit den Waffen in der Hand dem Tode verfallen ist, nicht anerkennt.

Sauds Vater, Abd el Azyz, begann im Jahre 1801 die Provinz Hedschaz und den Scherif Ghaleb mit mehr Ausdauer und Eifer anzugreifen, als er noch zuvor an den Tag gelegt hatte. In seinen Feldzügen gegen die Wahaby war Ghaleb abwechselnd Sieger und Besiegter gewesen. Er war einst in die Provinz Nedschid eingedrungen und hatte ein ganzes Jahr lang die kleine Stadt Schaara in der Provinz Kasym in Besitz behalten. Ein andermal war er von den Truppen der Wahaby eingeschlossen worden, schlug sich aber des Nachts durch und erreichte nur mit einigen Begleitern Beische.

Die Wahaby hatten seit einigen Jahren ihre Waffen und ihren Glauben zu den meisten Gebirgsstämmen südlich von Tayf, gegen Jemen hin, getragen. Diese Stämme waren ziemlich stark, und Abu Nokta, Scheikh von Azyz, war über sie alle gesetzt worden. Selbst die Araber bei Tayf mussten sich 1801 unterwerfen. Ghalebs Schwager, Othman el Medhayfe, ein Scheikh des Stammes Aduan, welcher diese Gegenden bewohnte, war seit mehreren Jahren mit Ersterem in Feindschaft; und da er sich durch alle Eigenschaften auszeichnete, welche ein Beduinen-Oberhaupt haben muss, so ernannte ihn Abd el Azyz, nachdem er sich das Land unterworfen hatte, zum Oberhaupt der Stämme von Tayf und Mekka und von da noch weiter nach Norden bis zur Hälfte des Weges nach Medinah. Jetzt war Ghaleb eng eingeschlossen, verlor aber doch nicht seine Energie. Er sammelte nochmals den Rest seiner treuen Araber und versuchte abermals einen Einfall in Nedschid, jedoch mit geringem Erfolg.

Im Jahr 1802 belagerte Othman el Medhayfe Tayf, und diese schöne Stadt, der Sommeraufenthalt aller reichen Mekkaner und das Paradies von Hedschaz, wie die Araber es nennen, wurde nach kräftigem Widerstand genommen und teilte das Schicksal von Imam Hossein, nur mit dem Unterschiede, dass Othman’s Feindschaft gegen den Scherif Ersteren bewog, die meisten guten Gebäude zu ruinieren; auch war den Soldaten nicht der Befehl gegeben worden, bei dem allgemeinen Blutbad Gebrechliche, oder Kinder zu verschonen. Im Laufe desselben Jahres nahm dieser Anführer auch Gonfode, einen Hafen am Roten Meer, sieben Tagereisen südlich von Dschidda, welcher dem Scherif gehörte.

Diese erfolgreichen Unternehmungen hatten die Wababy sehr kühn gemacht. Bis jetzt war die syrische und ägyptische Pilgerkarawane immer regelmäßig nach Hedschaz gezogen, obschon der Scherif Ghaleb alles getan hatte, was nur in seiner Macht stand, um offenen Krieg zwischen der Pforte und den Wahaby herbeizuführen. Dschezzar Pascha zu Acre hatte manchmal, als er noch Pascha von Damaskus war, die Karawane selbst auf eine sehr pomphafte Weise nach Mekka geführt; und dies hatte auch Abdallah, Pascha von Aden, getan. Letzterer hatte mehrmals zu Mekka auf der Ebene von Arafat, während der Wallfahrt, dem ganzen Heere der Wahaby-Pilger begegnet, und es waren zwischen ihm und Abd el Azyz Geschenke gewechselt worden. Der Weigerung von Seiten der Wahaby, den Durchzug der Karawanen zu gewähren, scheinen religiöse Beweggründe gehabt zu haben, denn sie wussten ja, dass die Soldaten, welche die Karawanen begleiten, nichts feindliches in einem Lande unternehmen, wo ihnen mit einem mal alle Lebensmittel und alle Verstärkungen abgeschnitten werden können. Aber die Pilger, aus welchen diese Karawanen bestehen, hatten sich immer auf eine so unanständige Weise benommen; die Anführer hatten immer die schlechtesten Handlungen offen sanktioniert, und die Zeremonien der Wallfahrt selbst waren durch die Aufführung der Pilger so befleckt worden, dass die Wahaby, welche seit langer Zeit auf eine Reform dieser Unordnungen bestanden hatten, endlich beschlossen, ihnen ein Ende zu machen. Die syrische Karawane machte ihre Wallfahrt zum letzten Mal im Jahr 1802.

In den nördlichen Teilen von Hedschaz griffen die Wahaby den starken und kriegerischen Stamm Beni Harb an und belagerten Medinah.

Im Jahr 1803 vollendeten die Wahaby die gänzliche Eroberung von Hedschaz, und ihre Macht war damals über alle früheren Grenzen hinaus verbreitet. Saud, der Sohn des Abd el Azyz, und Othman el Medhayfe hatten zu Anfange dieses Jahres eine bedeutende Macht bei Tayf zusammengezogen, und nach mehreren Gefechten mit dem Scherif Ghaleb rückte die Armee der Wahaby gegen Mekka vor und schlug ihr Hauptquartier im Dorf el Hesseinye auf, wo die Bewohner von Mekka, 1 1/2 Stunden von dieser Stadt gegen Süden, viele schöne Sommerhäuser hatten. Ihre leichten Truppen umgaben die Stadt von allen Seiten und griffen die östliche Vorstadt an, Namens eI Moabede, von welcher sie eine zeitlang Besitz nahmen, wie auch von dem darin gelegenen Palast des Scherifs. Von hieraus machten sie häufige Einfälle in die Stadt, die keine Mauern hat. Ghaleb leistete unerschrocken tapferen Widerstand. Er legte eine Mine in der Nähe seines Palastes an, die zwar nicht ihre vollständige Wirkung tat, doch aber den Feind nötigte, sich zurückzuziehen.

Nun schnitten die Wahaby der Stadt das süße Wasser ab, welches ihr durch den Kanal von Arafat zugeführt wird; und die Bewohner waren in die Notwendigkeit versetzt, Wasser aus salzigen Brunnen zu trinken. Nachdem die Belagerung zwei, oder drei Monate gedauert hatte, gerieten die Bewohner, teils durch das schlechte Wasser, teils durch Mangel an Lebensmitteln, in große Not. Ghaleb selbst und seine Soldaten hatten noch einige Vorräte; aber unter die niederen Klassen wurde nichts verteilt, und diese waren deshalb genötigt, sich des Nachts aus der Stadt zu stehlen und für des Scherifs Pferde auf den benachbarten Bergen dürres Gras zu sammeln, wofür sie in der Wohnung des Scherifs eine Handvoll Getreide empfingen.

Nachdem alle Katzen und Hunde in Mekka verzehrt und auch die Vorräte des Scherifs dünn geworden waren, verließ er die Stadt mit seinen Leuten, nahm seine ganze Familie und sein Gepäck mit sich, nachdem er vorher diejenigen Möbel seines Palastes verbrannt hatte, die nicht leicht fortzuschaffen waren. Er wendete sich nach Dschidda und überließ Mekka seinem Schicksal. Den folgenden Morgen zogen die vornehmsten Einwohner aus, um zu kapitulieren, oder vielmehr, um die Stadt auf Gnade und Ungnade zu übergeben; und Saud zog denselben Tag ein. Dies ereignete sich im April und Mai 1803. Die Mekkaner erinnern sich noch immer dankbar der trefflichen Mannszucht, welche diese wilden Wahaby bei ihrem Einzug in die Stadt beobachteten. Nicht der geringste Exzess wurde begangen. Den folgenden Tag wurden alle Kaufläden auf Befehl Sauds geöffnet, und alles, was seine Truppen brauchten, bezahlten sie bar. Saud erklärte, dass er schon längst die Stadt hätte mit Sturm nehmen können, dass er aber gewünscht habe, Unordnung und Exzesse zu vermeiden. Den versammelten Ulama erzählte er auch, dass ihm Mohammed im Traum erschienen sei und gedroht habe, er werde nicht den dritten Tag erleben, wenn der heiligen Stadt ein einziges Getreidekorn mit Gewalt genommen würde.

Die Bewohner von Mekka nahmen nun den Glauben der Wahaby an, d. h. mit anderen Worten, sie waren genötigt, pünktlicher zu beten, als sie gewöhnlich getan hatten; ihre schönen seidenen Kleider abzulegen, und zu verbergen und sich des Tabakrauchens öffentlich zu enthalten. Haufen persischer Pfeifen, aus allen Häusern gesammelt, wurden vor Sauds Hauptquartier verbrannt; auch der Verkauf des Tabaks wurde verboten. Der Bruder Ghalebs, Abd el Mayen, wurde von Saud an die Spitze der Regierung in Mekka gestellt, und ein gelehrter Mann aus Derayeh, namens Ibn Name wurde zum kady der Stadt eingesetzt. In solchem Ansehen stand dieser Beduinenrichter, dass seine Entscheidungen fast zum Sprichworte geworden sind und die Mekkaner noch jetzt als Spott für ihren verkäuflichen kady aus Konstantinopel sagen: „dort geht Ibn Name!” Jetzt wurde auch das Gebet für den Sultan, welches gewöhnlich in der großen Moschee gehalten wird, abgeschafft.

Von Mekka wendete Saud seine Waffen gen Dschidda, wohin Scherif Ghaleb geflohen war. Er belagerte die Stadt 11 Tage, aber die Einwohner fochten tapfer; und als Saud endlich verzweifelte, die Mauern stürmen zu können, zog er sich zurück. Viele Personen versichern, dass Ghaleb, welcher schon Anstalt getroffen hatte, an Bord eines großen Schiffes im Hafen zu entfliehen, den Saud durch eine Summe von 50,000 Dollars zum Rückzuge bewogen habe. Die Wahaby begaben sich nun nach der nördlichen Wüste hin. Ghaleb verließ jetzt Dschidda und übernahm abermals die Regierung von Mekka im Julius 1803, wo die schwache Garnison der Wahaby in den beiden Castellen kapitulierte und Abd el Mayen, ein Mann von friedlichem Charakter, sich wieder seinem Bruder unterwarf; aber Ghaleb selbst, der wohl einsah, dass er den Platz nicht auf lange Zeit verteidigen könne, vertrug sich bald nachher mit Saud und unterwarf sich seiner Herrschaft. Obgleich dieser Krieg nur erst 11 Jahre vor meinen Reisen in Hedschaz vorgefallen war, so wurden mir doch einzelne Umstände desselben von verschiedenen Personen ganz verschieden erzählt.

Ghaleb bekam bei dieser Gelegenheit günstigere Bedingungen, als sie gewöhnlich anderen übergegangenen Häuptlingen gewährt werden. Er blieb im Besitz seiner Städte und ihrer Einkünfte, auch gestand man zu, dass mehrere Beduinenstämme unter seinem Einfluss bleiben durften. Wegen seiner hohen Stellung und der Achtung, welche denen gebührt, die Einwohner der heiligen Stadt sind, verlangte man weder von ihm, noch von den Mekkanern einen Tribut. Dagegen entsagte der Scherif der Zölle zu Dschidda für alle echten Wahaby.

Die Einnahme von Mekka hatte andere Vorteile in Hedschaz zur Folge. Der Stamm Harb war genötigt, sich zu ergeben, jedoch nicht ohne schweren Kampf, wodurch die Wahaby so erbittert wurden, dass sie die Araber dieses Stammes härter behandelten, als andere Beduinen des Landes. Ein Nebenzweig des genannten Stammes, bekannt unter dem Namen Beni Sobh, behauptete sich erfolgreich in seinen steilen Gebirgen und konnte nie zur Unterwürfigkeit gebracht werden. Auch Yembo übergab sich, als Beni Harb und Dscheheyny (ein anderer großer Stamm dieser Nachbarschaft) auf die Seite der Wahaby getreten waren; und Medinah folgte bald (im Frühling 1804) dem Beispiel dieser Stadt. Der vornehmste Mann dieser Stadt, Hassan el Kaladschy, hatte sich eine despotische Gewalt angemaßt und während der allgemeinen Not, indem nämlich alle Zufuhr der Stadt von den Wahaby abgeschnitten wurde, die größte Ungerechtigkeit zu Schulden kommen lassen. Endlich vergriff er sich auch an dem Schatz, welcher zum Grabe Mohammeds gehört und verteilte einen Teil desselben unter seine Anhänger. Alsdann machte er den Vorschlag, die Stadt zu übergeben. Die Bewohner von Medinah, welche weit mehr dem türkischen Interesse ergeben sind, als die Mekkaner, und gänzlich von dem Gewinne leben, den ihnen die ihre Moschee besuchenden Pilger bringen, wurden nicht so mild behandelt, als die Bewohner von Mekka. Es wurde ihnen der gewöhnliche Tribut aufgelegt, aber das Privat-Eigentum nicht geplündert. Der oberste türkische Beamte der Stadt, der Aga el Haram (von dem Sultan ernannt), musste Medinah mit vielen türkischen Pilgern verlassen, und el Medheyan, welchen Saud zum Scheikh des ganzen Stammes Harb ernannt hatte, wurde Gouverneur von Medinah.

Hier drangen die Wahaby mit großer Strenge auf die regelmäßige Beobachtung der Gebete. Nach dem Morgen-, nach dem Mittags-, und nach dem Abendgebete wurden die Namen aller erwachsenen männlichen Einwohner in der Moschee verlesen, und wer sich säumig bewies, wurde bestraft. Eine angesehene Flau war angeklagt worden, aus einer persischen Pfeife geraucht zu haben, und wurde deshalb auf einen Esel gesetzt, und ihr die Pfeife mit dem langen elastischen Rohr um den Hals gewickelt. In diesem Zustande wurde sie durch die Stadt geführt. Hassan el Kaladschy behielt noch immer einigen Einfluss unter den Wahaby und fuhr fort, die Einwohner zu bedrücken.

Bald nachher besuchte Saud die Stadt Medinah und nahm vom Grabe Mohammeds alle noch vorhandenen wertvollen Gegenstände. Die goldenen Gefäße waren schon vorher genommen worden. Er machte auch den Versuch, den hohen Dom zu zerstören, welcher über dem Grabe errichtet war, und wollte nicht gestatten, dass türkische Pilger von irgendeinem Punkte her nach Medinah kämen; und mehrere derselben, welche es versucht hatten, von Yembo aus dahin zu gelangen, erfuhren eine sehr üble Behandlung. Ihre Bärte wurden auch abgeschnitten, da die Wahaby, welche selbst kurze und dünne Bärte tragen, erklärten, dass der Prophet nicht einen so langen und buschigen Bart, wie die nördlichen Türken, getragen habe. Dieses taten indessen die niederen Klassen der Wahaby zur Verspottung der Türken und nicht auf den Grund eines Gesetzes, oder eines Befehls.

Die Wahaby fuhren indessen immer fort, Medinah zu Ehren des Propheten zu besuchen; ebenso ehrfurchtsvoll besuchten sie auch die Moschee dieses Propheten, aber nicht, gleich anderen Muselmännern, sein, in derselben Moschee gelegenes, Grab. Das Grab blieb unverletzt, aber Saud hielt es für Götzendienerei, das Grab zu besuchen, Gebete, oder Ausrufungen an dasselbe zu richten, und verbot deshalb dergleichen. Es ist demnach falsch, zu behaupten, wie es die Türken getan haben, dass die Pilgerfahrt nach Medinah von den Wahaby abgeschafft worden sei.

Selbst vor der Einnahme von Medinah hatten die großen Pilgerfahrten in ganzen Karawanen aufgehört. Die syrische Karawane, von Yusef Aga, einem Beamten des Abdallah Pascha, angeführt, war im Jahr 1803 nicht im Stande gewesen, Medinah zu erreichen, sondern trat den Rückweg an, als sie nur noch einige Stunden von der Stadt entfernt war. Sie wurden auf ihrem Rückwege nicht belästigt. Die ägyptische Pilgerkarawane wagte es dieses Jahr nicht, den Landweg zu nehmen, da die Stämme Harb und Dscheheyne jetzt zu den Wahaby übergegangen waren; aber der Mahmal[3] und einige Pilger kamen mit etwa 4, oder 500 Soldaten unter der Anführung von Scherif Pascha, welchen die Pforte zum Gouverneur von Dschidda ernannt hatte, zu Wasser an und landeten in letzterem Hafen. Auch die persische Pilgerkarawane war seit 1802 ausgeblieben, und dasselbe war der Fall mit der Pilgerkarawane aus Jemen, sodass nach dem Jahr 1803 keine regelmäßige Karawane dieser Art nach Mekka gekommen ist, wohin es nur einigen Wenigen gelang, sich durch zu finden. Der Mahmal wurde zu Dschidda zurückgehalten, und Scherif Pascha starb 1804 in Hedschaz. Es war Verdacht vorhanden, dass er auf Ghalebs Befehl vergiftet worden sei.

Abd el Azyz überlebte zwar die Einnahme von Mekka, war aber kein Zeuge derjenigen von Medinah. Er wurde zu Ende des Jahres 1803 von einem Perser ermordet, dessen Verwandte früher von den Wahaby erschlagen worden waren. Dem Abd el Azyz folgte sein ältester Sohn Saud in der Regierung und besaß in weit höherem Grade die notwendigen Eigenschaften eines geistlichen Oberhauptes kriegerischer Beduinen. Er hatte schon seit vielen Jahren alle Kriege geführt, und ihm muss man eigentlich die Eroberung von Hedschaz zuschreiben.

Während Medinah sich genötigt sah, den nördlichen Wahaby die Tore zu öffnen, waren auch diejenigen des Südens nicht müßig, den Einfluss ihrer Waffen zu verbreiten. Abu Nokta, der Scheikh von Asyr, war seit einiger Zeit mit dem Scherif Hamud im Kriege begriffen. Letzterer regierte damals den ganzen Strich der Meeresküste von Jemen, aus der Gegend von Gonfode an in südlicher Richtung bis nach Beit el Fakyh, ein Landstrich, den er selbst von der Jurisdiction seines nächsten Verwandten, des Imam von Szana, losgerissen hatte. Hamud verließ sich auf die Mauern seiner Stadt und auf 5 bis 600 Reiter in seinem Dienste, und hatte sich deshalb geweigert, den Glauben der Wahaby anzunehmen. Gegen Ende des Jahres 1804 stieg Abu Nokta mit einem zahlreichen Heere seiner Araber von den Gebirgen herab und bedeckte die ganze Küste mit einer solchen Menge von Wahaby, dass Hamud zu fliehen genötigt war. Die reichsten Städte an der Küste von Jemen, Loheya und Hodeyda, wurden geplündert; aber Abu Nokta wagte es nicht, mit seiner Armee lange Zeit in diesen Städten zu verweilen, sondern zog sich wieder in die Gebirge zurück und hielt von hier die ganze Küste von Jemen in Schach. Hamud erklärte sich nun als einen Anhänger des neuen Glaubens.

Obschon Hedschaz jetzt erobert war, so blieb doch immer die Macht des Scherifs noch sehr groß. Sein Name und sein ehrwürdiges Amt; seine großen Talente für die Intrige; sein persönlicher Einfluss auf viele Beduinenstämme, welche der Macht Sauds noch immer Widerstand leisteten, und die wertvollen Geschenke, welche er letzterem machte, so oft derselbe nach Mekka kam, bewirkten, dass das Oberhaupt der Wahaby mehrere Handlungen Ghalebs seinen Beifall gab. Wenn Saud sich der Stadt Mekka bei Gelegenheit der jährlichen Wallfahrt näherte (die er jährlich mit einer großen Zahl seiner Araber machte), kam ihm eine ganze Karawane von Kamelen, mit Geschenken des Scherif beladen, zwei Tagereisen weit bis nach Zeyme entgegen. Die Geschenke umfassten alle Sorten auserlesener Lebensmittel, Kleider und andere Artikel, nebst mehreren Kamelsladungen von Indischem Muslin für den ihram oder Mantel, in welchem die Pilger das Heilige Gebiet betreten. Alle seine Beamten bekamen ähnliche Geschenke. Die Weiber und Kinder bekamen alle neue Kleider und eine große Menge von Konfekt und eingemachten Süßigkeiten. So groß war in der Tat die Freigebigkeit Ghalebs bei diesen Gelegenheiten, dass Saud oft sagte, es setze ihn in Verlegenheit und mache es ihm unmöglich, den Scherif so zu behandeln, wie er sonst getan haben würde.

In Mekka hielt auf diese Weise die Macht Ghalebs derjenigen Sauds immer das Gleichgewicht, und in Dschidda blieb die Autorität des Ersten immer in vol1er Kraft. Eine gute Garnison wurde beständig in dieser Stadt unterhalten, in welche keine Truppen der Wahaby kamen, obschon die Einwohner genötigt waren, sich zu dem neuen Glauben zu bekennen, sobald einer von Sauds Beamten sie in Geschäften besuchte. Im Laufe des Jahres 1805 machte Medhayfe, welcher immer seine Feindseligkeiten gegen Ghaleb fortsetzte, mit seinen eigenen Arabern, und ohne vom Oberhaupt der Wahaby dazu autorisiert zu sein, mehrere Versuche, Dschidda zu nehmen. Er nahm Besitz von den zur Stadt gehörigen Brunnen; aber die Einwohner nebst den Fremden, die sich zufällig in der Stadt befanden, ergriffen die Waffen und vereitelten seine Absicht.

Obschon die Pilgerkarawanen jetzt unterbrochen waren, so strömte doch eine große Zahl von Pilgern aus jedem Teile des türkischen Reichs jährlich nach Mekka. Sie kamen zu Schiffe nach Dschidda, und Saud gab keinen Befehl, sie zu hindern, nach Mekka zu gehen. Diese Pilger waren folglich genötigt, sich allen Vorschriften der Wahaby zu fügen, und wer sich denselben gemäß und anständig benahm, erfuhr keine rauhe Behandlung. Ich lernte im Jahr 1810 zu Aleppo einen Einwohner dieser Stadt kennen, welcher mir erzählte, dass er während der letzten 6 Jahre die Wallfahrt jährlich ohne alle Belästigung über Kairo und Kosseir gemacht habe. Aus Jemen, Indien und den Negerländern seien in dem Monate der Wallfahrt Pilger zu Schiffe, wie früher, in Dschidda angekommen, hätten es aber für zweckmäßig gefunden, ihre Waffen in Dschidda zurückzulassen, indem das Tragen von Waffen irgend einer Art Fremde in Mekka verdächtig mache und oft übler Behandlung aussetze. Die Wallfahrt ist deshalb niemals, weder in Bezug auf Araber, noch Türken, abgeschafft worden; und hätten die großen syrischen und ägyptischen Karawanen auf das sichere Geleit der Wahaby Vertrauen gesetzt, so würden sie die Wüste mit Sicherheit, aber ohne bewaffnete Begleitung, haben durchziehen können.

Hedschaz war jetzt ruhig. Da die Kommunikation mit dem ganzen inneren Arabien geöffnet war und wenig Fremde ankamen, so waren die Lebensmittel im Überfluss vorhanden und wohlfeil; aber die Einwohner der heiligen Städte hatten jetzt ihre Hauptsubsistenzmittel verloren, die ihnen der Verkehr mit fremden Kaufleuten brachte, welche mit der Pilgerkarawane kamen.

In diesem Zustande blieb nun Hedschaz während der Jahre 1806, 1807 und 1808. Die Macht des Scherifs nahm täglich ab, und Sauds Autorität wurde in dem bei weitem größeren Teile von Arabien anerkannt. In den obenerwähnten Jahren machte das Oberhaupt der Wahaby mehrere Einfalle in die Gegend von Basra und in Mesopotamien. Eine dieser Unternehmungen in der Gegend von Basra lief damals unglücklich ab. Seine Truppen waren eben damit beschäftigt, in kleinen Abteilungen die Dörfer um diese Stadt herum zu plündern, als sie von einem starken Korps der Kab- und Montefek- Araber überrascht wurden, bei welcher Gelegenheit über 1500 Wahaby erschlagen wurden. Ein Negersklave Sauds, namens Hark, machte an der Spitze einer starken Abteilung verschiedene Kriegszüge nach der syrischen Wüste und setzte sogar die Beduinen in der nächsten Umgebung von Aleppo in Furcht und Schrecken. Die Abteilungen der Wahaby überschritten auch den Euphrat und griffen die reichen Lager der mesopotamischen Stämme an, welche sie bis in die Nähe von Bagdad plünderten. Im Süden fuhr Abu Nokta fort, durch plötzliche Einfälle und häufiges Plündern die Provinz Jemen zu plagen. Szana scheint indessen niemals der Gegenstand eines Angriffes gewesen zu sein. Saud, welcher die Eifersucht kannte, die zwischen Hamud, dem Gouverneur der Küste, und Abu Nokta, dem Häuptlinge der Gebirge, herrschte, versprach bald dem einen und bald dem anderen von ihnen die Plünderung dieser reichen Stadt, die wegen ihrer schwachen Verteidigungsmittel selbst einen schwachen Angriff nicht ausgehalten haben würde; aber er gab nie wirklich den Befehl zur Eroberung derselben und schien dieselbe vielmehr, wie man glaubte, für sich aufgespart zu haben.

Diese Jahre über blieb die Pforte fast ganz untätig. Saud war mit der türkischen Regierung in offene Feindseligkeiten geraten, seit er verboten hatte, in den Moscheen für das Wohl des Sultans zu beten, was gewöhnlich den Freitag geschah. Dieses war durch die List und Verschlagenheit des Scherif Ghaleb dahin gebracht worden, welcher zwischen Saud und der Pforte einen unversöhnlichen Bruch herbeizuführen wünschte. Ein tapferer Krieger, Yusef Pascha, war an die Spitze des Gouvernements von Damaskus gestellt worden; und es stand zu hoffen, dass er die Pilgerkarawane mit Gewalt durch die Wüste werde leiten können. Aber die Summen, welche für diese Karawane bestimmt waren, und welche auf das Einkommen von Damaskus angewiesen sind, verwendete er zu seinem eigenen Nutzen. Auch die syrischen Beduinen, welche die Karawanen gewöhnlich geleiteten, verrieten ebenso wenig Lust, sich in eine so gewagte Unternehmung einzulassen. Yusef Pascha machte im Jahr 1809 einige unbedeutende Anstalten, den Distrikt Dschof anzugreifen, der aus mehreren Dörfern auf der Straße von Damaskus nach Nedschid besteht und 12 Tagereisen von Damaskus entfernt ist. Aber dieses war nur eine eitle Demonstration seines Eifers, die nie zur Ausführung kam. Der größte Verlust, den die Wahaby jemals erfuhren, war im Verlaufe dieses Jahres die Zerstörung ihres befestigten Hafens am Persischen Meerbusen, namens Ras el Kheyme, der durch eine englische Expedition von Bombay aus in Asche gelegt wurde, indem die seeräuberischen Bewohner desselben, die zum Stamme Gowasim oder Dschowasim gehören, zahlreiche Räubereien gegen den englischen Handel in diesen Gewässern sich hatten zu Schulden kommen lassen. Ein Vetter von Saud hatte bei dieser Gelegenheit ebenfalls seinen Tod gefunden.

In demselben Jahre brach ein neuer Krieg zwischen Abu Nokta und Scherif Hamud aus. Ersterer kam nämlich von seinen Bergen herab und lagerte sich bei Abu Arysch. Hamud verließ des Nachts diese Stadt mit ungefähr 40 Reitern, sämtlich wie Wahaby-Beduinen gekleidet, machte einen Umweg und befand sich mit Tagesanbruch im Rücken seiner Feinde, in deren Lager er einzog, ohne den geringsten Verdacht erregt zu haben, denn man hielt ihn mit seinen Leuten für befreundete Gebirgsbewohner. Aber vor Abu Nokta’s Zelte stießen sie ihr Kriegsgeschrei aus und Hamud tötete diesen Häuptling mit eigener Hand, als er eben von seiner Matte aufsprang, und war so glücklich, in der allgemeinen Unordnung zu entkommen.

Der Scheikh Tamy, von dem kleinen Stamme Refeydha (zum Stamme Asyr gehörend), wurde von Saud zum Nachfolger des Abu Nokta ernannt. Hamud unterwarf sich wieder, aber seine Treue blieb immer zweifelhaft, und er war nie pünktlich in Entrichtung seines Tributes.

Im Jahr 1810 verbreitete Saud Schrecken im Herzen von Syrien, indem er die Umgegend von Damaskus mit einer Abteilung von 6000 Mann überfiel. Seine Ankunft war ganz unerwartet und Yusef Paschas Armee nicht im Stande, seinem Fortschritt Einhalt zu tun. Innerhalb drei Tagen plünderte er 35 Dörfer im Distrikte Hauran, war nur noch zwei Tagereisen von Damaskus entfernt und verbrannte alle Getreideernten, wo er nur hinkam; aber er war nicht so unbarmherzig gegen die Einwohner, wie bei anderen Gelegenheiten, und schenkte vielen Bauern das Leben. Eine christliche Weibsperson, die gefangen genommen und als Sklavin mit fortgeschleppt worden war, wurde einige Tage nachher auf seinen Befehl wieder freigegeben. Er hätte leicht die Stadt nehmen können, wenn er den Schrecken gekannt hätte, den seine Nähe bei den Einwohnern verbreitete, die bereits alle Gegenstände von Wert in die Gebirge des Libanon zu senden begannen; aber seine Absicht war ohne Zweifel, häufige Plünderungsversuche zu machen, sodass Damaskus wenigstens sich bewogen fühlen sollte, sich von selbst zu übergeben. Er kehrte mit beträchtlicher Beute zurück.

Eine zahlreiche Karawane von Moggrebyn’s, welche zu Lande nach Kairo gekommen war, machte dieses Jahr die Wallfahrt. Bei ihrer Ankunft in Hedschaz erhielten sie die Erlaubnis, Mekka zu besuchen, da Saud immer erklärt hatte, dass sich die Moggrebyn’s anständig benähmen und religiöse Leute seien. Er kam dem Anführer dieser Karawane, einem Sohne des Kaisers von Marokko, entgegen, und es wurden zwischen ihnen Geschenke gewechselt.

Während der Pascha von Bagdad und derjenige von Damaskus zu verschiedenen Zeiten feindliche Demonstrationen gegen die Wababy gemacht hatten, war Ägypten bei dem Schicksale von Hedschaz ein passiver Zuschauer geblieben, und die kleine Expedition von etwa 500 Mann, welche im Jahr 1804 vom Scherif Pascha zu Dschidda ausgerüstet wurden, war die einzige schwache Anstrengung von ägyptischer Seite, den türkischen Einfluss auf die heiligen Städte wiederherzustellen. Der unruhige Zustand Ägyptens, nämlich die Verteilung der Macht unter viele Beys, die nur dem Namen nach dem von der Pforte gesendeten Pascha unterwürfig waren; und der Wunsch dieser Beys, das Geld zu besitzen, welches für die Pilgerkarawanen und für die heiligen Städte bestimmt war, – alle diese Umstände trugen dazu bei, dass jeder gläubige Sunny daran verzweifelte, jemals die Pilgerfahrt wiederhergestellt zu sehen, so lange Ägypten in diesem Zustande verbleiben würde. Denn alle Teile wussten, dass nur von Ägypten aus Hedschaz erobert werden könne. Die unermessliche Wüste, die sich zwischen Ägypten und Damaskus ausbreitet, macht den Transport hinlänglicher Lebensmittel und Kriegsvorräte zu einem regelmäßigen Feldzuge mit dem Feinde ganz unmöglich, und die erste Maßregel des letzteren würde darauf gerichtet sein, jede andere Kommunikation abzuschneiden. Eine starke Armee, begleitet von einer unermesslichen Menge beladener Kamele, möchte vielleicht nach Überwindung vieler und großer Schwierigkeiten endlich Medinah und selbst Mekka erreichen; sie könnte auch diese Städte erobern. Aber alle Truppen und alle Kamele einer solchen Armee würden nicht im Stande sein, das ganze Land in Unterwürfigkeit zu erhalten, es gegen einen unternehmenden Feind zu verteidigen und sich selbst von fremder Zufuhr unabhängig zu machen.

Aus letzterer Rücksicht allein ergibt sich schon, dass alle Versuche, das Land von seinen Beduinischen Beherrschern zu befreien, von Ägypten ausgehen müssen. Hedschaz bezieht alle Lebensbedürfnisse fast ausschließlich aus Ägypten, die zur See mittelst der Häfen Yembo und Dschidda, der eigentlichen Tore der heiligen Städte, dahin gebracht werden können, ohne sie unterwegs einer der Zufälligkeiten auszusetzen, welche mit einer 30- oder 40-tägigen Landreise durch eine unfruchtbare und feindliche Wüste von Syrien nach Mekka verbunden sind.

Die Wahaby verweigerten es nicht, Pilgern von allen Weltgegenden her, den Eingang in die heiligen Städte zu gewähren. Sie hatten sich öffentlich erboten, ihnen ihre friedliche Wanderung zu gestatten, sobald sie sich anständig benehmen und nicht die vornehme Miene in diesen Ländern behaupten würden, die vermöge der natürlichen Beschaffenheit, des Charakters ihrer Einwohner und ihrer geographischen Lage zu einer arabischen und nicht zu einen türkischen Provinz geschaffen seien.

Nachdem Mekka und Medinah sich den Wahaby angeschlossen hatten; nachdem selbst der Scherif dem Glauben derselben beigetreten war und offene Feindseligkeiten gegen die Pforte ausübte; und nachdem endlich ganz Hedschaz seinem Beispiele folgte, war die natürlichste Maßregel, die sich von selbst darbot, diejenige, alle fernere Zufuhr abzuschneiden und allen Schiffen aus Hedschaz die Häfen von Kosseir und Suez zu verschließen. Dass eine solche Maßregel nicht während der Herrschaft der Mammelucken zur Ausführung gekommen war, wo eine allgemeine Maßregel in Ägypten überhaupt gar nicht ergriffen werden konnte, und wo diese Beys, deren Einfluss vorherrschend war, beträchtlichen Gewinn aus dem Handel mit Hedschaz zogen, darüber dürfen wir uns gar nicht wundern. Mit allem Grund aber darf man sich wundern, dass dieses Prohibitivsystem auch unter der Regierung Mohammed Alys vernachlässigt worden ist, der seit 1805 den Hafen von Suez und seit 1808 denjenigen von Koffeir besaß, auch seinem Oberherrn auf das Festeste versprochen hatte, Hedschaz von den Wahaby wieder zu befreien.

Während dieser ganzen Zeit und selbst zu Anfang des Jahres 1810, als Mohammed Aly ernsthafte Anstalten machte, die Wahaby anzugreifen, langten zu Suez und Kosseir täglich Schiffe aus Dschidda und Yembo an, die mit Getreide und Lebensmitteln für den Scherif, wie auch für Privatunternehmer, zurückkehrten. Dieser Verkehr wurde auch nicht eher unterbrochen, als einige Monate vor dem Abgang der ersten Expedition von Suez gegen Arabien, wo man befürchtete, dass die Schiffe in diesem Hafen zum Transporte der Truppen in Beschlag genommen werden möchten. Alle Zufuhr auch nur ein einziges Jahr lang abzuschneiden, würde für Hedschaz von den schlimmsten Folgen gewesen sein, wo es nicht gewöhnlich ist, sich über zwei Monate lang zu verproviantieren; und die geringe Zufuhr aus Nedschid und Jemen würde eine Hungersnot nicht haben verhindern können. Wäre diese wirklich eingetreten, so würde das Oberhaupt der Wahaby sicherlich genötigt worden sein, dem Gouverneur von Ägypten sehr günstige Bedingungen für die heilige Wallfahrt und für das ganze türkische Reich zuzugestehen.

Obgleich die Armee der Wahaby, welche in Hedschaz stand, immer von der Zufuhr aus dem inneren Arabien hätte subsistieren[4] können, so würde doch die Hungersnot in den heiligen Städten diejenigen religiösen Schwärmer sehr afficiert[5] haben, die häufig ihre Verehrung für diese Orte und ihre Rücksicht für die Einwohner derselben an den Tag gelegt hatten. Der Scherif selbst würde seinen ganzen Einfluss bei den Wahaby angewendet haben (und seit seiner Unterwerfung besaß er bedeutenden Einfluss), um einen Zustand der Dinge zu endigen, der nicht nur seine eigenen Leute in große Not brachte (worauf er vielleicht wenig Rücksicht nahm), sondern auch ihn um einen großen Teil seines Einkommens aus dem Handel und den Zöllen gebracht haben würde, welche er von den nach Ägypten gehenden, oder daher kommenden Artikeln erhob.

Da nun eine so leichte und natürliche Maßregel von Mohammed Aly nicht versucht wurde, so suchten seine Freunde diese Nachlässigkeit mit dem Vorgehen zu entschuldigen, dass es eine abscheuliche Sünde gewesen sein würde, im heiligen Lande eine Hungersnot zu erzeugen. Wer aber den Charakter des Paschas kennt, weiß auch, dass eine solche Rücksicht bei ihm von geringem Gewicht ist, während dagegen Personen, welche den Handel auf dem Roten Meere kennen, der Meinung sind, dass der Gewinn, welcher auf diesem Weg ihm zufließt (er verkauft teils selbst Getreide und Lebensmittel zu Suez und Kosseir, teils erhebt er auch Zölle), so beträchtlich sind, dass er die Befehle seines Oberherrn in dieser Hinsicht unbefolgt gelassen hat, weil sie seinen Gewinn verringert, oder ganz vernichtet haben würden. Alle Nationen des türkischen Reiches stimmten darin überein, dass sie die Wahaby verwünschten und zu einer ähnlichen Unternehmung gegen diese Ketzer aufforderten, wie sonst die Kreuzzüge waren. Dennoch aber führten ihre Schiffe die Vorräte Ägyptens von Suez nach dem unfruchtbaren Hedschaz und verproviantierten auf diese Weise ihre eigenen Feinde, während auch Karawanen, mit Kriegsbedürfnissen beladen, die gegen diese Feinde benutzt werden sollten, täglich von Kairo in Suez anlangten.

Ein europäischer Leser wird der Schilderung eines solchen albernen Benehmens und solcher elender halber Maßregeln kaum Glauben schenken; aber ein Aufenthalt von einigen Jahren in der Levante wird die Überzeugung geben, dass, sobald ein türkischer Gouverneur den kleinsten, oder auch nur einen temporären Verlust befürchtet, nichts ihn zu bewegen vermag, Maßregeln von allgemeiner Nützlichkeit zu ergreifen. Seine Ansichten reichen nie über den gegenwärtigen Augenblick hinaus, während er die Interessen seines eigenen Oberherrn und die Wohlfahrt seiner Untertanen jeder Gewissheit des geringsten Geldvorteiles aufopfert. Aber eine Habsucht verfehlt oft ihr Ziel und trägt endlich zu seinem Untergange bei, oder gibt wenigstens ein Hindernis für seine eigenen Operationen ab.

_________________________________

[1] finanzielle

[2] Zweck

[3] Schwarzes Brokatstofftuch, dass die Kaaba umhüllt und aus Ägypten geliefert wurde

[4] unabhängig versorgt werden

[5] beeinflusst

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

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