Zionistische Vereinigung an NSDAP – Ein Brief mit Tiefgang

21.06.1933 im 3. Deutschen Reich

Vor knapp 5 Monaten, am 30.01.1933, wurde der Vorsitzende der NSDAP, Adolf Hitler, zum Reichkanzler ernannt. Erste ausländische und staatenlosen Juden wurden bereits des Landes verwiesen, zahlreiche Zeitungen wurden verboten, der Reichtagsbrand mit seinen schlimmen Folgen war bereits Geschichte und es gab auch schon die ersten blutigen Übergriffe der SA auf jüdische Bürger. Die ganze Welt richtete ihre Aufmerksamkeit auf das Deutsche Reich und vielerorts machte man sich große Sorgen um die Juden in Deutschland und sprach laut über einen Wirtschafts-Boykott gegen das Deutsche Nazi-Reich.

Zu genau dieser Zeit richtete die ZVfD, die Zionistische Vereinigung für Deutschland, ein umfangreiches Schreiben an die NSDAP. Der Rabbi und Zionist, Joachim Prinz, umschreibt in einem seiner Artikel die Stimmung unter den Zionisten dieser Zeit folgendermaßen:
„Jeder in Deutschland wusste, dass nur die Zionisten die Juden gegenüber der Nazi-Regierung verantwortlich vertreten konnten. Wir alle waren sicher, dass die Regierung eines Tages eine Konferenz mit den Juden am runden Tisch einberufen würde, auf der – nachdem die Unruhen und Grausamkeiten der Revolution vorbei wären – der neue Status der deutschen Juden diskutiert werden könnte. Die Regierung erklärte höchst feierlich, dass es kein anderes Land in der Welt gäbe, das so ernsthaft versuchte, das Judenproblem zu lösen wie Deutschland. Lösung der Judenfrage? Das war unser zionistischer Traum! Wir hatten das Bestehen der Judenfrage nie bestritten! Dissimilation? Das war unser eigener Aufruf! […] In einer Erklärung, bemerkenswert für ihren Stolz und ihre Würde, forderten wir eine Konferenz.“
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(Prinz, Joachim: Zionism under the Nazi Government; Young Zionist (London, November 1937); S.18.) [Hervorhebung durch Unterstrich von mir]
Genau diese Erklärung, die die Zionisten als „bemerkenswert für ihren Stolz und ihre Würde“ bezeichneten, liegt heute noch vor und ich möchte sie euch nicht vorenthalten. Im Folgenden seht ihr also Auszüge aus der Erklärung des ZVfD an die Nazi-Partei Adolf Hiltlers. [Hervorhebungen durch Unterstrich sind von mir]:

„Darum sei es uns gestattet, unsere Anschauungen vorzutragen, die nach unserer Meinung eine den Grundsätzen des neuen deutschen Staates der nationalen Erhebung entsprechende Lösung ermöglichen und zugleich für die Juden eine Regelung ihrer Lebensverhältnisse bedeuten könnten […]

Der Zionismus täuscht sich nicht über die Problematik der jüdischen Situation, die vor allem in der anormalen Berufsschichtung und in dem Mangel einer nicht in der eigenen Tradition verwurzelten geistigen und sittlichen Haltung besteht […]

Wir sind der Ansicht, dass eine den nationalen Staat wirklich befriedigende Antwort auf die Judenfrage nur herbeigeführt werden kann, wenn die auf gesellschaftliche, kulturelle und sittliche Erneuerung der Juden hinzielende jüdische Bewegung dabei mitwirkt […]

Der Zionismus glaubt, dass eine Wiedergeburt des Volkslebens, wie sie im deutschen Leben durch Bindung an die christlichen und nationalen Werte erfolgt, auch in der jüdischen Volksgruppe vor sich gehen müsse. Auch für den Juden müssen Abstammung, Religion, Schicksalsgemeinschaft und Artbewusstsein von entscheidender Bedeutung für seine Lebensgestaltung sein […]

Wir wollen auf dem Boden des neuen Staates, der das Rassenprinzip aufgestellt hat, unsere Gemeinschaft in das Gesamtgefüge so einordnen, dass auch uns, in der uns zugewiesenen Sphäre, eine fruchtbare Betätigung für das Vaterland möglich ist. […] Unser Bekenntnis zum jüdischen Volkstum stellt ein reines und aufrichtiges Verhältnis zum deutschen Volk und seinen nationalen blutmäßigen Gegebenheiten her. Gerade weil wir diese Grundlagen nicht zu verfälschen wünschen, weil auch wir gegen Mischehe und für Reinerhaltung der jüdischen Art sind […]
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Nur die Treue zur eigenen Art und Kultur gibt Juden die innere Festigkeit, die eine Verletzung des Respekts vor den nationalen Gefühlen und Imponderabilien des deutschen Volkstums verhindert, und die Einwurzelung im eigenen Seelentum bewahrt den Juden davor, zum wurzellosen Kritiker der nationalen Grundlagen des deutschen Wesens zu werden. Die vom Staat gewünschte völkische Distanzierung würde auf diese Weise zwanglos als Ergebnis einer organischen Entwicklung herbeigeführt.
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So kann das hier gekennzeichnete bewusste Judentum, in dessen Namen wir sprechen, sich dem deutschen Staatswesen einfügen, weil es ja innerlich unbefangen und frei ist von dem Ressentiment, das assimilierte Juden bei der Feststellung ihrer Zugehörigkeit zum Judentum, zur jüdischen Rasse und Vergangenheit empfinden müssen. Wir glauben an die Möglichkeit eines ehrlichen Treueverhältnisses zwischen einem artbewußten Judentum und dem deutschen Staat. […]
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Für seine praktischen Ziele glaubt der Zionismus, auch die Mitwirkung einer grundsätzlich judengegnerischen Regierung gewinnen zu können, weil es sich in der Behandlung der jüdischen Frage nicht um Sentimentalitäten, sondern um ein reales Problem handelt, an dessen Lösung alle Völker, und im gegenwärtigen Augenblick besonders das deutsche Volk, interessiert sind.
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Die Verwirklichung des Zionismus könnte durch ein Ressentiment von Juden im Ausland gegenüber der deutschen Entwicklung nur geschädigt werden. Boykott-Propaganda – wie sie jetzt vielfach gegen Deutschland geführt wird – ist ihrer Natur nach unzionistisch, da der Zionismus nicht bekämpfen, sondern überzeugen und aufbauen will. […]
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Unsere hier vorgetragenen Äußerungen beruhen auf der Überzeugung, dass die deutsche Regierung bei der Lösung des Judenproblems in ihrem Sinne volles Verständnis für eine mit den Staatsinteressen im Einklang stehende offene und klare jüdische Haltung haben wird.“
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Quelle: Dawidowicz, Lucy (Hrsg.): A Holocaust Reader; S.150-155. (Veröffentlicht in: Zwei Welten. Siegfried Moses zum 75. Geburtstag; Tel Aviv 1962; S.120ff.)

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

Ein Gedanke zu „Zionistische Vereinigung an NSDAP – Ein Brief mit Tiefgang

  1. es ergäbe ein anderes dimension vom judenverfolgung, wenn man zu dem den werdegang des krieges -evtl. von einer anderen perspektive, vielleicht beginnend auch vom übersee im 19./20. Jhd, betrachten würde. es fehlende die die massgeblichen puzzleteile um ein umfassenderes bild vom judenverfolgung zu bekommen…

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