Kartoffelbrei

von Yahya ibn Rainer

Man soll als guter Muslim und Ehemann ja eigentlich nicht vor Fremden über seine Frau sprechen, aber gestattet mir hier eine Ausnahme, weil es im Kerne nicht wirklich um die Mutter meiner zwei Söhne geht, sondern um die Kartoffel. NEIN, nicht um mich, sondern um den Erdapfel, die Grundbirne, die Solanum tuberosum, des Deutschen liebste Beilage.

Könnt ihr euch noch an die Thesen des Thilo Sarrazin erinnern? Intelligenz wird genetisch vererbt, deswegen sind Christen und Juden intelligent und Muslime sind eben dumm. Träger dieser Intelligenz ist ein Gen, welches sich z.B. alle Juden miteinander teilen. Basken haben das auch, also nicht das Juden-Gen, sondern ein eigenes, ein Basken-Gen.

Aber sind wir doch mal ehrlich, ein einziges gemeinsames Gen? Das ist doch nicht viel, oder? Da habe ich doch eine viel größere Gemeinsamkeit mit meinen Vorfahren. Ach, ihr wusstet es noch nicht? Ich bin auch eine Kartoffel. 30% meines gesamten Erbguts habe ich mit ihr gemeinsam und wir haben auch beide genau 46 Chromosomen, … die sogenannten “Menschen-Affen” haben übrigens 48.
Und so dumm sind unsere muslimischen Migranten hier in Deutschland dann auch wieder nicht, denn die wussten das schon vor geraumer Zeit, … manche ehrten mich sogar schon zu meiner Schulzeit mit dem Namen meiner Vorfahren.

Aber ich schweife ab!

Es geht hier, wie gesagt, nicht um mich, sondern in erster Linie um die Knollen dieser Nutzpflanze, die zur Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae) gehört, ebenso wie die Paprika und die Tomate. Und Umm Adam, meine treue Seele und aufrichtige Liebe, soll Gegenstand der Einleitung sein, die, wie ich gerade sehe, ziemlich lang geraten ist.

Umm Adam ist Ägypterin. Sie lebte, lernte und studierte ihr gesamtes bisheriges Leben zwischen Mansoura und Kairo in Ägypten und wanderte erst im Oktober 2008 aus, um in Deutschland bei ihrem Ehemann zu leben, der sie ca 6 Monate zuvor in Kairo/Ägypten geheiratet hatte.

Leider ist es allzu oft so, dass in binationalen Ehen eine Kultur dominiert und die andere sich unterordnet. Speziell in muslimischen Ehen mit einem deutschen Partner nimmt oft die Kultur orientalischem Ursprungs die dominantere Rolle ein, weil mit der arabischen, türkischen oder indonesischen Kultur oft auch eine islamische Kultur assoziiert wird. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich aber, dass auch die arabische und die türkische Kultur zum Teil alles andere als islamische Bestandteile hat., aber im Gegensatz zur deutschen werden sie -auch heute noch- reichlich gepflegt und stolz präsentiert. Wir Deutschen, vor allem die jüngeren Generationen, haben z.B. mit der deutschen Esskultur nicht mehr viel am Hut. Tafelspitz halten viele für eine Hunderasse, Kohlroulade isst man im Miniformat als Lahana Sarmasi lieber beim Türken und Sauerbraten scheint vollkommen aus dem Gedächtnis des heutigen deutschen Fastfood- und Dönertempel-Konsumenten gestrichen zu sein.

Dabei haben wir Kartoffeln ääh Deutschen eine sehr schmackhafte und deftige Küche. Ich zumindest wollte mich nicht von der ägyptisch-arabischen  dominieren lassen und versuchte offensiv gezielt deutsche Küche in unserem Haushalt zu etablieren. Dabei bemerkte ich, dass ich gar nicht allzu offensiv agieren musste. Meine gute Seele war recht offen für neue kulturelle Abenteuer, wenn auch ein wenig skeptisch, denn immerhin hält sich im muslimischen Kulturraum hartnäckig das Vorurteil, dass deutsche Esskultur Bier, Schweinshaxe und Sauerkraut bedeutet.

Womit ich meine Frau letztendlich aber vollkommen verzaubern und überzeugen konnte, dass war auch für mich sehr überraschend. Als ich das erste mal richtigen deutschen Kartoffelbrei zum Mittag machte, da erlebte ich die wohl gewaltigste Geschmacksexplosion, die meine Frau in meiner Gegenwart jemals hatte. Seit diesem Zeitpunkt gibt es jede Woche mindestens einmal Kartoffelbrei im Hause Ibn Rainer. Dabei ist diese Beilage alles andere als vielfältig gewürzt und umständlich zubereitet.

Aber für euch, meine geehrten Geschwister und Mitleser, die noch nie einen richtigen deutschen selbst gemachten Kartoffelbrei gegessen haben, werde ich hier mal das simple Rezept offenbaren. Was wir brauchen -für etwa 3 Personen- ist folgendes:

1. Einen Kartoffelstampfer oder eine Kartoffelpresse. (Ich benutze eine Presse, ähnlich wie diese)

2. 2kg Kartoffeln (mehligkochend)

3. ca 50-100g Butter (je nach Geschmack)

4. ca 0,5l Milch (für die gewünschte Konsistenz)

5. ca 1 Teelöffel geriebener Muskatnuss

6. ca 5 Teelöffel Salz für das Kochwasser und ca 2-4 Teelöffel Salz für den Brei

Die Mengen sind allesamt Schätzwerte. In der Praxis hat sich, bei niedriger Buttermenge, ein guter Schuss gutes Olivenöl geschmacklich bewährt.

Als erstes wäscht man die Kartoffeln und legt sie ungeschält ins kalte und gut gesalzene Wasser eines ausreichend großen Topfes. Diesen setzt man -mit Deckel- auf den Herd und läßt darin die Kartoffeln, je nach Größe, 20-40 Minuten lang kochen. Dann gießt man das heiße Wasser ab und schreckt die heißen Kartoffeln mit kaltem Wasser ab. So löst sich die Haut, was das Pellen erleichtert. Nun nimmt man die Kartoffeln aus dem Topf und die Butter kommt hinein. Darauf kommen dann die Kartoffeln, die man vorher von ihrer Pelle befreit hat. Entweder benutzt man die Presse, so das bereits der Brei im Topf und auf der Butter landet, oder man schmeißt erst alle gepellten Kartoffeln in den Topf und stampft sie dann mit dem Kartoffelstampfer. Nun schaut man welche Konsistenz man gerne hätte. Dementsprechend gießt man beim Stampfen Milch hinzu. Hat man eine Presse benutzt, dann rührt man die Milch einfach unter den Brei

Am Ende wird gewürzt. Man muss einfach selber ein Gefühl dafür entwickeln wie viel Muskatnuss und Salz in den Brei gehört, also immer fleißig abschmecken. Kartoffelbrei kann man vielfältig als Beilage benutzen. Es schmeckt zu gebratenen Fischgerichten, mit Spinat und Spiegelei, mit Bratwurst und Ketchup, aber man kann auch gerne experimentieren.

Guten Appetit, afiyet olsun und bil hana wa shifa !

Post scriptum: Bezüglich der Benutzung von Muskatnuss als Gewürz ist unbedingt darauf hinzuweisen, dass der Verzehr in großen Mengen giftig ist und zu Halluzinationen führen kann. Aus diesem Grunde hat die Mehrheit der früheren Gelehrten die Muskatnuss als Khamr (Berauschendes) eingestuft, was gemäß dem Hadith des Gesandten Allahs – Allah segne ihn und schenke ihm Heil – dazu führt, dass auch kleine Mengen davon als verboten gelten.
Nur wenige Gelehrte, vor allem aus Ägypten, vertraten die Ansicht, dass es in kleinen Mengen erlaubt sei. Diese Ansicht vertrat auch die 8. Konferenz des medizinischen Fiqh, die im Mai 1995 in Kuwait abgehalten wurde. Sie kam zu folgendem Urteil: „Berauschende Substanzen sind harām und es ist nicht erlaubt, sie zu konsumieren, außer zu einem spezifischen medizinischen Zweck und in der von einem Arzt festgelegten Menge. Doch sie sind an sich rein (tāhir). Es ist nichts Falsches daran, Muskatnuss dazu zu verwenden um den Geschmack des Essens zu verbessern, in kleinen Mengen, die keinen Rausch oder Apathie verursachen.“
(http://islamqa.info/en/39408)
Wer in dieser Sache sicher gehen möchte, der kann anstatt einer Muskatnuss-Gewürzmischung (wie in türkischen Geschäften üblich) auch Muskatblüte (Macis) zum Abschmecken benutzen.

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

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