Buchauszug: Betrand de Jouvenel – Das Schicksal von Ideen (sprich: Ideologien)

Demokratie, Sozialismus, Kommunismus, Nationalismus usw, alles Namen für Ideologien, die teils schon sehr alt und teils noch sehr jung sind. Alle aber haben, als Ideologie, eines gemeinsam, sie sind Kopfgeburten, also allesamt das Resultat eines menschlichen Denkprozesses. Das Wort Ideologie stammt aus dem Griechischen und setzt sich aus den Worten idea und logos zusammen, bedeutet also soviel wie Die Lehre von der Idee.

Sicherlich kann man den (meisten) ‚Schöpfern‘ dieser Ideen nicht vorwerfen wissentlich böswillig gehandelt zu haben, als sie ihre Ideen zu Papier brachten und dazu aufriefen sie umzusetzen. Vielmehr glaube ich, dass sie häufig sogar von guten Motiven angespornt wurden. Aber die gute Absicht ändert nun einmal nichts daran, dass wir Menschen nur Geschöpfe, weder frei von Emotionen, noch frei von Fehlern sind.

Und speziell wenn es darum geht in die Gesellschaften und Ökonomien von Völkern einzugreifen, sie zu planen und zu lenken, dann wird jedwede menschliche Idee zur Utopie und gleichzeitig ein aussichtloser Kampf gegen die natürliche Ordnung der Dinge und den einzigen Planer und Lenker des Universums.

Bertrand de Jouvenel beschreibt das Schicksal von Ideen freilich ein wenig anders, aber das Resultat bleibt das gleiche …

„Ideen werden in der Tat als Königinnen geboren: sie erlangen Anerkennung aber nur dadurch, daß sie sich in den Dienst von Interessen und Instinkten stellen. Verfolgt man eine Idee von ihrer Genese bis zur Verwirklichung, so stellt sich heraus, daß sie nur auf Grund  eines seltsamen Vulgarisierungsprozesses zu einer sozialen Kraft werden konnte. Ein Gedankengebäude mit einer Fülle logischer Beziehungen zwischen definierten Begriffen geht nicht unverändert in das gesellschaftliche Bewußtsein ein: es ist vielmehr einem Druck ausgesetzt, der seine innere Architektur zerstört und nur eine unbestimmte Assoziation von Begriffen zurückläßt, deren populärster die anderen stützt. Nicht die Vernunft hat einen Führer, die Leidenschaft hat eine Fahne gefunden.

Die Geschichte der Demokratietheorie ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich ein gedankliches System unter gesellschaftlichem Druck verändert. Es wurde entworfen, um die Freiheit zu begründen und zur Vorbereitung der Tyrannei benutzt. Es entstand aus der Intention, ein Bollwerk gegenüber der Staatsgewalt zu errichten, und lieferte ihr die Bastionen aus, von denen sie wie nie zuvor das soziale Feld beherrschen kann.

(Bertrand de Jouvenel, Über die Staatsgewalt – Die Naturgeschichte ihres Wachstums, Seite 284)

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

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