Zeitgenössische Islamophobie als Resultat des modernen demokratischen Wohlfahrtsstaates?

von Yahya ibn Rainer

Ich habe mir einige Gedanken über PImaten, Pegidasten und andere Islamophobe gemacht. Wie schaffen sie es, im Internet eine solche Dominanz zu erzeugen, im wahren Leben jedoch nicht?

Meine persönliche Erfahrung ist, dass nicht wenige dieser Menschen in einer schweren emotionalen Krise stecken. Während mental gefestigte Menschen ihren Lebenssinn und -mittelpunkt innerhalb der Familie finden und ihre Energie dazu aufbringen, durch eigene Anstrengung die Versorgung dieser Familie zu gewährleisten – und ggf. darüber hinaus noch einen gewissen Wohlstand zu akquirieren -, ist diese Gattung Mensch nicht selten aus dieser traditionellen und natürlichen Ordnung herausgetreten – oft begünstigt durch die gesellschaftlichen Eingriffe und finanziellen Zuschüsse des demokratischen Wohlfahrtsstaates – und findet in diesem Zustand der modernen Befreiung kein Ventil, um die ihm natürlich inneliegenden Zwecke zu erfüllen.

So projiziert sich das ursprüngliche Verantwortungsgefühl und die natürliche Sorge für die Familie auf die „Gesellschaft“, und der Handlungsdrang, der eigentlich Schutz und Versorgung für die Sippe zum Ziel hatte, kann (häufig wohlfahrtsstaatlich bezuschusst) anderweitig kanalisiert werden.

Dass dieser Handlungsdrang heutzutage am heimeligen PC befriedigt werden kann, treibt die Befreiung von der natürlichen hierarchischen (und somit erziehenden) Ordnung – in Familie und Gesellschaft – noch auf die Spitze. Die Anonymität befreit letztendlich von den letzten zivilisatorischen Konventionen – die auch ein staatlicher Positivismus heutiger Prägung nicht so ohne weiteres auslöschen kann – und schafft einen Menschen von ungezügeltem Charakter.

Die Tragik bei alledem ist, dass die Aufgaben des Menschen innerhalb seiner Sippe sehr wohl durch eigenes Handeln zu lösen sind, es stellt sich also regelmäßig eine mentale Befriedigung ein und aus dem kleinen Kreis der Familie kommt direkte und warme Dankbarkeit. Dieser direkte Erfolg, diese familiäre und warme Dankbarkeit bleibt aber aus, wenn man für sich als Individuum den Rahmen der Verantwortung so groß steckt wie die Abendlandsverteidiger.

Wir haben es also zumeist mit sozial isolierten (sprich: asozialen) Produkten des zeitgenössischen demokratischen Wohlfahrtsstaates zu tun, die ihren Mangel an familiärer Befriedigung und zwischenmenschlicher Erziehung damit kompensieren, ihren erbärmlichen Zustand auf einen imaginären gesellschaftlichen Feind zu projizieren, den zu bekämpfen sie als (im Grunde familiäre) Pflicht erachten.  Der Umstand, dass dieser Kampf seit vielen Jahren aussichtslos geführt, diese „familiäre“ Aufgabe also nicht gelöst wird, erzeugt – gesteigert durch einen immensen Handlungsdruck – Unzufriedenheit, Selbstzweifel und Versagensängste.

Die mir bisher persönlich bekannt gewordenen Akivisten dieser Gattung, machten auf mich fast immer den Eindruck, als seien sie geladen, quasi bis zum Bersten unter Druck. Ohne es jemals nachgeprüft zu haben, erlag ich unweigerlich dem Gefühl, es mit Personen zu tun zu haben, deren aufgestaute Wut und Unzufriedenheit bereits zu physischen (oder auch psychischen) Erkrankungen geführt hat. Hochrote Köpfe (Bluthochdruck), steife und ungerade Körper- und Gehhaltungen (organisch?), klar erkennbares Unter- bzw. Übergewicht und ausgedehnte, teils aggressive Selbstgespräche sind mir im persönlichen Aufeinandertreffen mit PImaten nicht selten untergekommen.

So erklärt es sich auch, dass „Aussteiger“ aus diesem Milieu, diesen Ausstieg oft als eine Art Befreiung empfinden. Eine Befreiung, die nach kurzer Zeit auch optisch erkennbar wird und oft so weit geht, dass gezielt der Kontakt zum zuvor gepflegten Feindbild gesucht wird, und in manchen Fällen wurde sogar bekannt, dass sich in dieser Weise befreite ehemalige Wutbürger sogar dazu entschlossen, der Gemeinschaft beizutreten, die sie zuvor als Ziel ihrer feindseligen Handlung betrachteten.

Und bevor mich der Vorwurf ereilt, ich würde mit diesem Text absichtlich und einseitig mein eigenes Feindbild verächtlichen machen wollen, sei ausdrücklich erwähnt, dass ich dieses gesellschaftliche Phänomen ähnlich auch bei anderen Randgruppen beobachte, vor allem auch bei jungen Exemplaren meiner Gattung.

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

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