Islamischer Akhlaq und deutsche Sitten! (Teil 1)

von Yahya ibn Rainer

O ihr Menschen, Wir haben euch aus Mann und Frau erschaffen und euch zu Völkern und Stämmen gemacht, auf daß ihr einander erkennen möget. Wahrlich, vor Allah ist von euch der Angesehenste, welcher der Gottesfürchtigste ist. Wahrlich, Allah ist Allwissend, Allkundig.

Quran Sure 49, Aya 13

Das sind die ungefähren Worte des Schöpfers, Lenkers und Erhalters des gesamten Universums. Er, Al-Chaliq, klärt uns darüber auf, dass Er uns Menschen verschiedenartig erschuf. Er machte uns zu Männern und Frauen, und Er machte uns zu Völkern und Stämmen.

Auf die Unterschiede zwischen Mann und Frau brauche ich hier wohl nicht näher einzugehen, aber was unterscheidet die Völker und Stämme?

Die Regionen dieser Welt sind ebenso vielfältig wie die Bewohner die sie bevölkern. Menschen leben in den eisigen Gebieten rund um den Nordpol ebenso, wie in den heissesten Wüsten, in den schwülsten Regenwäldern, den unwirtlichsten Steppen und verschiedenartigsten gemäßigten Klimata. Es gibt Bergvölker, Inselvölker, Normadenvölker sowie See- und Flussvölker.

All diese Völker unterscheiden sich vor allem im Aussehen und in der Sprache, aber sie entwickelten im Laufe ihrer Geschichte auch eigene Sitten und Gebräuche, die einerseits aus ihren Lebensumständen resultierten, aber zu bestimmten Teilen auch veranlagt waren. All diese Unterschiedlichkeiten sind Teil der Schöpfung und vom Schöpfer so gewollt. Auch sind wir Muslime fest davon überzeugt, dass im Laufe der Menschheitsgeschichte jedes Volk mindestens einen Gesandten bekam, der es zur wahren Religion (nämlich Monotheismus) aufrief und zur Gerechtigkeit und guten Charaktereigenschaften.

Einige Gelehrten des Islams sag(t)en, dass der Charakter nicht an den Glauben (Imaan) gebunden ist, sondern unabhängig davon natürlich veranlagt oder selbst angeeignet sein kann (siehe z.B. hier>>). Was den Muslim nun angeht, so ist er dazu angehalten, sich die guten Charaktereigenschaften anzueigenen die er nicht durch seine natürliche Veranlagung besitzt. Für die Muslime innerhalb der verschiedenen Völker bedeutet das, dass sie nach dem islamischen Prinzip Das Gute gewähren, das Schlechte verwehren handeln.

Niemand erwartet von einem Deutschen, dass er nach Annahme des Islams zu einem Türken oder Araber werden soll. Vielmehr ist es so, dass er immernoch ein Angehöriger seines Volkes ist und all seine Sitten und Gebräuche pflegt, solange diese nicht gegen die Gesetzmäßigkeiten und guten Sitten des Islams verstoßen.

Es ist authentisch vom Gesandten Allahs -Allah segne ihn und schenke ihm Heil- überliefert, dass er sagte:

„Wahrlich, ich bin nur gesandt worden, um die edelsten Charaktereigenschaften zu vervollständigen.“

(Überlieferung aus Sahih Muslim)

Dieser Ausspruch ist ein Beleg dafür, dass die edelsten Charaktereigenschaften bereits existieren und nur noch einer Vervollständigung bedürfen. Mit diesem Wissen im Hinterkopf machte ich mir schon früh Gedanken darüber, was denn die Charaktereigenschaften bzw Sitten des deutschen Volkes sind.

Was sind deutsche Sitten?

Eines kann ein ehrlicher Betrachter der heutigen Umstände mit Gewissheit sagen: Die deutschen Sitten verfallen !!!

Besonders rasch und prägnant ging dieser Verfall in den letzten 40 Jahre vonstatten. Die sogenannten 68er hatten dazu bereits die letzten Schranken ins Visier genommen, um sie bis heute fast alle auch niederzureißen. Wer so etwas heute offen sagt, der wird leider schnell mit dem Vorwurf konfrontiert ein Rechter zu sein, aber einen Muslim sollte das nicht stören, denn diese politischen Flügelspiele Rechts, Mitte, Links haben für uns keinerlei Bedeutung. Wir streben lediglich das Gute an und dieses finden wir (meiner Ansicht nach) durchaus auch in den deutschen Sitten wieder.

Ein wichtiger und großer Bestandteil der guten Sitte bzw des edlen Charakters ist die Form des Umgangs. Maßstab sind für den Muslim natürlich die Umgangsformen des Gesandten Allahs -Allah segne ihn und schenke ihm Heil-, da, wie wir in der obigen Überlieferung bereits lesen konnten, er gesandt wurde, „um die edelsten Charaktereigenschaften zu vervollständigen“.

Der Gundstock jedoch, dass zu messende und zu vervollständigende Werkstück, sind die Sitten und Gebräuche des eigenen Kulturbereiches. In der islamischen Wissenschaft zur Herleitung von religiösen Urteilen (Usul al-Fiqh) ist gelten diese Volks- bzw. Stammessitten sogar als anerkannte Rechtsquelle, die gemeinhin als ‚Urf bezeichnet wird. Dieses kurze arabische Wort steht sinngemäß für das, was wir in der deutschen Sprache als Gewohnheitsrecht bezeichnen würden. Es ist das Recht der Völker, ihre Sitten und Gebräuche weiterhin zu pflegen, wenn diese nicht im direkten Widerspruch zur islamischen Lehre stehen.

Nun stellen wir also die deutschen Sitten und Gebräuche, samt den ihnen innewohnenden Umgangsformen, den Idealen des islamischen Charakters gegenüber.

Deutschland- wie auch weltweit ist der Sprech von den sogenannten Deutschen Tugenden recht bekannt. Heute nicht mehr als ein (meist positiv belegtes) Vorurteil, waren diese Tugenden jedoch einmal fester Bestandteil der deutschen Sitte. Erstmals wurden sie im frühen Preußen, unter dem König Friedrich Wilhelm I. und später unter seinem Sohn, Friedrich II. (auch „Friedrich der Große“ genannt), genau formuliert und zum Ideal erhoben, weswegen sie auch die Preußischen Tugenden genannt werden. Allein in ihnen findet sich eine große Fülle an Vorzüglichkeiten, die sich meiner Ansicht nach nicht hinter den Vorgaben des islamischen Akhlaq (Charakter) zu verstecken brauchen.

Um nur einige dieser Tugenden zu nennen, die da wären …

Aufrichtigkeit
Bescheidenheit
Disziplin
Fleiß
Gehorsam (jedoch nicht ohne Freimut)
Geradlinigkeit
Gerechtigkeitssinn („Suum cuique“ = Jedem das Seine)
Härte, gegen sich mehr noch als gegen andere
Mut
Ordnungssinn
Pflichtbewusstsein
Pünktlichkeit
Redlichkeit
Tapferkeit ohne Wehleidigkeit („Lerne leiden ohne zu klagen“)
Treue
Unbestechlichkeit
Unterordnung
Weltoffenheit
Zurückhaltung („Mehr sein als scheinen!“)
Zuverlässigkeit

Klingt das nicht alles für einen Muslim recht gewohnt? Natürlich könnte ich mir jetzt die Mühe machen und für all diese Preußischen Tugenden das islamische Pendant – in Form von Ayat aus dem Quran oder authentischen Überlieferungen – heraussuchen, aber das wäre der Mühe nicht wert, da jeder Muslim zumindest so viel Wissen über deine Religion haben müsste um diese obigen Eigenschaften islamisch zu bestätigen. So haben wir es also bereits hier mit einer beeindruckenden Übereinstimmung zutun, die nur darauf wartet näher beleuchtet zu werden.

Hierzu möchte ich ein Standardwerk der klassischen deutschen Literatur bemühen, dass vielen vielleicht unter den Kürzel Der Knigge bekannt ist. Im Jahre 1788 erschien, von Adolph Freiherr von Knigge verfasst, das Buch Über den Umgang mit Menschen. Es ist ein hervorragendes Zeitdokument und gestattet dem zügel- und sittenlosen Otto-Normal-Konsumenten des heutigen moralbefreiten Abendlandes einen Einblick in die wahren Umgangsformen des deutschen Anstandes.

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

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