Lasst euch nicht einschüchtern, liebe Salafisten

von Yahya ibn Rainer

Die Drei-Säulen-Strategie, schon davon gehört? Ich las kürzlich in der Frankfurter Rundschau (hier>>) davon. Es soll die neue Strategie der bundesdeutschen Innenpolitik gegen den sogenannten „Salafismus“ sein. Diese 3 Säulen lesen sich folgendermaßen:

Die erste Säule: „Druck muß auf die Szene ausgeübt und sie soll gezielt beobachtet werden.“
Die zweite Säule: „Straftaten müssen konsequent verfolgt werden.“
Die dritte Säule: „Beratung, Sensibilisierung und Information“

Die zweite Säule ist ansich schonmal ein Armutszeugnis und ein Beleg dafür, dass es in der BRD um das Gerechtigkeitsprinzip nicht gut bestellt ist. Ein anständiger und gerechter Rechtsstaat verfolgt grundsätzliche alle Straftaten konsequent. Wenn er jedoch, wie hier geschehen, diese Konsequenz extra für eine bestimmte Bevölkerungsminderheit einfordern muß, dann ist das quasi ein Eingeständnis dafür, dass hierzulande Straftaten schon lange nicht mehr konsequent verfolgt werden … und zudem scheint man das auch nicht ändern zu wollen, da eine konsequente Verfolgung ja nur für Salafisten angebracht zu sein scheint. Soviel zum demokratisch legitimierten Rechtsstaat.

Die erste Säule jedoch ist es mir wert, einer detailierteren Betrachtung unterzogen zu werden. Druck und Beobachtung, dass sind schon gewaltige Eingriffe des Staates in das Leben eines (eigentlich) freien Bürgers, die seine Integrität immens einschränken. Spätestens nach der bundesweiten Großrazzia gegen Vereine und zahlreiche Privatpersonen haben einige von uns eine Idee davon, wie solch ein Druck aussehen kann.

Der demokratisch legitimierte Gewaltmonopolist Staat, der seine Gewalt zwar geteilt hat – in Legislative, Exekutive und Judikative aber dennoch als Monopolist alle 3 gemeinsam zum Einsatz bringt – was die Teilung eigentlich ad absurdum führt – hat sich also ein neues Feindbild geschaffen, dass er als augenscheinlicher Wohltäter, mit dem Segen seiner hörigen Sklaven, bekämpfen will.

Der sogenannte Salafismus und seine bösen Anhänger wollen – laut Hamburger Verfassungsschutzbericht

„Staat, Rechtsordnung und Gesellschaft nach einem salafistischen Regelwerk, das als „gottgewollte“ Ordnung angesehen und propagiert wird, umgestalten.“

Weiter heißt es im diesem widerlichen Pamphlet:

„Ziel ist ein Gottesstaat, in dem die Kernprinzipien des deutschen Grundgesetzes keinen Platz hätten. So werden Volkssouveränität und durch Menschen gemachte Gesetze als „shirk“ (Götzenglaube) abgelehnt.“

Solch eine Behauptung lässt einen Muslim, der mit diesem Prädikat „Salafist“ bereits (fremd-)bestimmt wurde, recht ratlos dastehen. Am Anfang lässt sich ein süffisantes Lächeln wahrscheinlich nicht unterdrücken, da die obigen Behauptungen natürlich vollkommen überzogen sind. Es fällt auf, dass in dieser Anschuldigung nicht der Deutsche Staat, die Deutsche Rechtsordnung und die Deutsche Gesellschaft namentlich genannt werden. Ich halte das für eine gelungene rhetorische Taktik, denn in den muslimischen Ländern gibt es tatsächlich Muslime, die für eine Islamische Rechts- und Gesellschaftsordnung aktiv eintreten. Das ist auch ihr gutes Recht. Das Abendland hat (angeblich) eine christlich-jüdische Tradition und das Morgenland (unbestreitbar) eine islamische. Somit dürfen Christen, hier im Abendland, eine christliche Ordnung fordern und demnach die Muslime im Morgenland eine islamische, basta.

Ebenfalls als geschickte Rhetorik entlarvt sich die Bezeichnung „salafistisches Regelwerk“. Ich – als angeblicher Salafist – habe von solch einem Regelwerk noch nie etwas gehört.Gemeint ist hier wohl die Scharia, ein Begriff, der dank unentwegter Aufklärungsarbeit längst an Bedrohlichkeit verloren hat. In Zeiten der Banken- und Wirtschaftskrisen, findet dieser Begriff nämlich mehr und mehr positive Erwähnung in der Presse, vor allem dann, wenn die Stabilität und Gerechtigkeit schariagedeckter Geld- und Warenpolitik dargelegt wird.

Man merkt also, dass sich die Vasallen des Staates eines Mittels bemächtigen, welches bereits eine althergebrachte Tradition in den Händen der totalitären Herrscher hat, nämlich die Sprachmanipulation, auch als Orwellscher Neusprech (Newspeak) bekannt. Für kundige Muslime ist das glasklar zu erkennen. Es wimmelt nur so vor neuen Begrifflichkeiten und es werden immer mehr und mehr. Unkundige Muslime jedoch sind mit den klassischen Bezeichnungen und Begriffen häufig nicht so bewandert und lassen sich dadurch auch schnell vom staatlichen Neusprech beeinflussen … eine willkommene Spaltung aus Sicht der Intriganten.

Einerseits ist der obige Vorwurf des VS niederschmetternd, da er eine nicht unbeträchtliche Anzahl an Bürgern kollektiv mit einem Vorwurf brandmarkt, der rein rechtlich tatsächlich ein aktives Vorgehen der Staatsgewalten rechtfertigen könnte. Anderseits jedoch – und dessen sollte man sich bewußt sein – geben die Innenbehörden mit dieser expliziten Beschreibung auch die Möglichkeit, sich (wahrscheinlich sogar juristisch) gegen den Vorwurf, ein Salafist zu sein, wehren zu können. Man sagt einfach:

„Nö, es gibt meinerseits keine Planungen, Aktivitäten oder Absichten, Staat, Rechtsordnung und Gesellschaft in Deutschland nach einem salafistischen Regelwerk umzugestalten. Auch ein von Menschen erlassenes Gesetz ist für mich nicht grundsätzlich Götzenglaube. Somit kann ich – laut qualifizierter VS-Expertise – wohl schlecht ein Salafist sein. Jeder der etwas anderes behauptet, wird ab sofort wegen Verleumdung belangt.“

Bleiben wir mal bei der Juristerei. Ich erwähnte ja oben bereits, dass der demokratische Rechtsstaat seine Staatsgewalt in drei geteilt hat – hier kann man übrigens eindeutig von einer christlichen Tradition reden-. Der Verfassungsschutz zählt hierbei zur Exekutive. Es ist also möglich, ihn vor Gericht (Judikative) zu belangen. Verstößt der VS also gegen Gesetze, was ja meist zu Ungunsten der Bürger geschieht, dann kann dieser Bürger vor Gericht sein Recht einfordern. So weit, so gut. Doch was ist die Buße, wenn die Behörde Unrecht bekommt? Der Gauner, der innerhalb der Behörde diesen Rechtsbruch zugelassen hat wird sicherlich nicht rechtlich belangt. Für seine Behörden und seine Diener springt natürlich der Staat in die Bresche und den finanziert … na wer wohl, der Bürger. Also mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass viele Muslime ihre Rechte gegenüber dem Staat und seinen Gewalten garnicht kennen (was dieser auch allzu gern schamlos ausnutzt), wird man bei einer juristischen Auseinandersetzung (die gewiss viel Nerven und ggf auch Geld kostet) zudem damit rechnen müssen, dass auch bei einem erfolgreichen Prozessausgang die Behörde ihre Vorgehensweisen nicht ändern wird, da ja im Grunde die Verantwortlichen innerhalb der Behörde nicht belangt werden. Eine Verurteilung vor Gericht hat also keinerlei generalpräventiven Charakter und sämtliche Kosten trägt so oder so der un(ge)recht behandelte Bürger.

Das soll jetzt aber niemanden daran hindern, auf diesem Wege Unrecht aus dem Weg zu schaffen. Erfolgreich war damit u.a. auch Dr. Rolf Gössner. Er wurde 39 Jahre lang vom VS überwacht und konnte letztendlich vor Gericht die Herausgabe aller dort befindlichen Daten erstreiten, weil diese Überwachung gesetzeswidrig war. Ich habe mir mal die Mühe gemacht und das Urteil studiert, welches diesbezüglich am 20.01.2011 beim Verwaltungsgericht Köln gefällt wurde. Es ist überaus interessant, vor allem auch für Muslime die sich keinen Maulkorb verpassen lassen wollen. Viele Muslime glauben nämlich, dass allein die Kritik an und die Ablehnung von Staat, Staatsform und Verfassung in Deutschland für eine staatliche Verfolgung (Beobachtung und Überwachung) ausreichend ist. U. a. scheint diese Ansicht aber auch unter Staatsdienern verbreitet zu sein. Folgende Auszüge aus dem Urteil sprechen allerdings eine andere Sprache. [In den folgenden Auszügen aus dem Urteil, sind Hervorhebungen durch Unterstrich von mir getätigt worden]

Grundsätzlich heißt es erstmal:

„Voraussetzung für das Tätigwerden des BfV gemäß § 3 Abs. 1 BVerfSchG 1950 war – soweit hier einschlägig – das Vorliegen von Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Dabei geht die Kammer davon aus, dass derartige Bestrebungen, die zur Sammlung und Auswertung von Informationen berechtigten, nicht nur von Organisationen ausgehen konnten, sondern auch von einzelnen Personen, die sich in derartigen Organisationen betätigten oder für diese tätig wurden. […]

Danach ist – in gewisser Parallele zu den Regelungen im nunmehr geltenden § 4 BVerfSchG 1990- in Bezug auf Einzelpersonen letztlich danach zu differenzieren, in welchem Umfang sie selbst in eine Organisation eingebunden waren, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgte bzw. in welcher Intensität sie gegebenenfalls eine derartige Organisation unterstützten. Je geringer der Grad der Einbindung in eine derartige Organisation war bzw. je geringer deren Unterstützung ausfiel, desto eher kann sich unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten die Sammlung und Speicherung von Informationen zu einer Person (d.h. in Form einer Personenakte) als unverhältnismäßig darstellen.“

Was sind „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“?

„Unter „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ sind Aktivitäten zu verstehen, die auf die Umgestaltung der Staats- und Gesellschaftsordnung gerichtet sind. Das Tatbestandsmerkmal einer „politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweise“ erfordert über das bloße Vorhandensein bestimmter Bestrebungen hinaus ein aktives, nicht jedoch notwendig kämpferisch-aggressives Vorgehen zu deren Realisierung. Bestrebungen müssen also politisch determiniert, folglich objektiv geeignet sein, – über kurz oder lang – politische Wirkungen zu entfalten.

Erfasst werden also Verhaltensweisen, die über rein politische Meinungen hinausgehen und auf Durchsetzung eines Ziels ausgerichtet sind. Neben der Durchsetzung des politischen Hauptziels müssen die Aktivitäten auf die Beeinträchtigung eines der vom Gesetz geschützten Rechtsgüter abzielen und somit ein maßgeblicher Zweck der Bestrebung sein.

Die bloße Inkaufnahme einer entsprechenden Gefährdung ist nicht ausreichend. Die bloße Übereinstimmung oder Sympathie mit den Zielen einer verfassungsfeindlichen Organisation reicht ebenso wenig wie die wissenschaftliche Beschäftigung mit einer extremistischen Theorie. Die Grenze liegt dort, wo die betrachtend gewonnenen Erkenntnisse von einer politischen Partei, also einer ihrem Wesen nach zu aktivem Handeln im staatlichen Leben entschlossenen Gruppe, in ihren Willen aufgenommen, zu Bestimmungsgründen ihres politischen Handelns gemacht werden. […]

Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die bloße Kritik an Verfassungswerten und Verfassungsgrundsätzen noch nicht als Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung anzusehen ist, sondern nur darüber hinausgehende Aktivitäten zu ihrer Beseitigung. Demgemäß ist die Kritik an wesentlichen Elementen der Verfassung ebenso erlaubt wie die Äußerung der Forderung, tragende Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu ändern, […]

[…] darüber hinausgehende Kritik an der Verfassung und ihren wesentlichen Elementen [ist] ebenso erlaubt wie die Forderung, tragende Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu ändern. Dementsprechend reicht die bloße Kritik an Verfassungswerten als Anlass nicht aus, um eine verfassungsfeindliche Bestrebung zu bejahen, […]

Lasst euch also nicht einschüchtern, liebe Salafisten, und nehmt weiterhin eure Rechte in Anspruch. Die diversen bundesweiten Hausdurchsuchungen waren vielleicht sehr umfang- und zahlreich und haben in den Medien viel Staub aufgewirbelt, aber nach meinem bisherigen Erkenntnisstand (zumindest hier aus Hamburg) fühlt sich niemand irgendwie eingeschüchtert oder unter Druck gesetzt. Es gab zwar einen erniedrigenden gewaltsamen Eingriff in die Privatsphäre, aber nicht eine einzige Person wird in irgendeiner Weise rechtlich belangt. Es gibt weder Anzeigen noch Ermittlungsverfahren. Alle Brüder sind frei wie zuvor und gehen weiterhin ihren legalen Aktivitäten nach.

Jedem von uns wird damit wieder einmal klar vor Augen geführt, wie sehr die Bürger dieses Landes von ihrem Staat und von den Medien hinters Licht geführt werden. Jeder dort draussen glaubt, dass hier ein großer Schlag gegen einen imaginären Salafismus gelungen ist. In Wirklichkeit wurden aber nur unmengen von Geld herausgeschleudert, um den Bürger – der dieses Geld zu bezahlen hat – für die nächsten Wahlen gefügig zu machen. Der starke Vater Staat hat uns gerettet, hoch lebe der Sozialismus!!!

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

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