Buchauszug: Herman Heinrich Frank – Der Orient in seinem beneidenswerten Behagen (1901)

„Da wir hier indes vom Erwerbsleben sprechen, hatten wir jene Bemerkung nur voraus geschickt, um klar zu machen, daß das ungeheure, wirtschaftliche Übergewicht der Europäer, auf welches wir den Anspruch der Unterjochung des Orients gründen, zwar faktisch besteht, und daß wir sogleich auf eine unstreitig ganz traurige Wirtschaft zu sprechen kommen werden; daß der Abendländer aber über die tieferen Gründe der Sache in einer noch traurigeren Urteilsverdunkelung lebt.

Die mangelnde wirtschaftliche Begabung wird nämlich reichlich aufgewogen durch eine ebenso große Bedürfnislosigkeit und Frugalität. Wir können sagen, sie sei wertlos, das Klima erlaube sie nicht nur, sondern gebiete sie – gleichviel, aber ist sie da. Und diese kennen zu lernen, hat einen eigentümlichen Reiz.

Während bei uns der raffinierte Luxus und der Nationalwohlstand in gleichem Maße mit dem Klagen über allgemeine Teuerung steigt, und die Kluft zwischen Kapital und Proletariat im finsteren Schoße wilde Gedanken erzeugt, die am ganzen Volksleben rütteln, wiegt sich der Orient in beneidenswertem Behagen bei einem Zustand, den wir ihm lehren möchten als einen beklagenswerten aufzufassen.“

(Herman Heinrich Frank, Das Abendland und das Morgenland – Eine Zwischenreichbetrachtung von Herman Frank, ©1901, Seite 86-87)

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

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