Buchauszug: Islahi – Ibn al-Qayyim über Reichtum, Armut und Zuhd

Abu Abdullah Schams ad-Din Muhammad ibn Abi Bakr ibn Ayyub – Allah sei ihm gnädig –, vor allem bekannt als Ibn al-Qayyim al-Dschauziya, war ein großer Gelehrter des 14. Jahrhunderts (christlicher Zeitrechnung). Prof. Dr. Abdul Azim Islahi ist ein zeitgenössischer Gelehrter des Fachbereichs Islamische Ökonomie. Aus seiner Publikation stammt das folgende Zitat, welches von mir aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt wurde.

3. Ansichten über Reichtum und Armut

Trotz des großen Einflusses des Sufismus auf ihn, der Entsagung und Pauperismus (freiwillige Armut) fördert, versuchte Ibn al-Qayyim in Bezug auf Armut und Reichtum die ausgewogene Lehre des Islams zu bemühen. Er untersuchte die Argumente derer, die eine Armut gegenüber dem Reichtum bevorzugten ebenso, wie die derjenigen, die Überfluss statt Armut wählten. Seiner Ansicht nach ist Wohlstand zu bevorzugen, vorausgesetzt, er geht mit Dankbarkeit zu Allah -gepriesen und erhaben ist Er- und der Erfüllung der persönlichen Pflichten gegenüber den Mitmenschen einher.

3.1 Argumente zugunsten des Reichtums

Der Vorteil des Reichtums ist, dass er es einem ermöglicht sämtliche Arten von guten Taten leichter zu verrichten, wie z.B. Hajj , Jihad, obligatorische und freiwillige Aufwendungen, Freilassung von Gefangenen, Geschenke, Bau von Moscheen, Straßen und Kanälen, Ehe und so weiter. Die Verfechter von Wohlstand verweisen auf die Beispiele von vielen Gefährten des Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Heil -, die reich als auch Personen von hohem religiösem Rang waren, aufgrund ihrer Beiträge zum und ihrer Teilhabe am Jihad und wegen ihrer Unterstützung der Gläubigen.

3.2 Sein Urteil zu diesem Thema

Hier schließt sich Ibn al-Qayyim der Meinung seines Lehrers Ibn Taymiyah an, der sagte,

“ … unter den Reichen und Armen ist derjenige das beliebteste Geschöpf, wer am gottesfürchtigsten ist und wer sich durch gute Taten auszeichnet. Wenn eine reiche und eine arme Person auf der Grundlage dieser Kriterien gleich sind, dann bekleiden sie auch die gleiche Rangstufe.“

Dieser Standpunkt steht im völligen Einklang mit der ökonomischen Philosophie des Islams. Ibn al-Qayyim sagte:

„Allah, der Allmächtige, ist der Schöpfer von Überfluss und Not, ebenso wie Er der Schöpfer aller anderer Dinge ist. Reichtum und Armut wurden von Ihm erschaffen, um seine Knechte darauf zu prüfen, wer die besseren Taten vollbringt. Er liefert beide einer Prüfung von Gehorsam und Ungehorsam aus, um zu belohnen oder zu bestrafen. Deshalb sagt Er: ‚Und Wir prüfen euch mit Schlechtem und Gutem als Versuchung. Und zu Uns werdet ihr zurückgebracht.‘ (Quran 21:35). Manchmal prüft Er einen Mann, indem Er ihm reichlich Wohlstand beschert und manchmal indem Er ihm die Mittel zum Lebensunterhalt schmälert.“

3.3 Armut und „Zuhd“ – ein Wort bei welchem man Vorsicht walten lassen sollte

Man sollte Armut nicht mit Zuhd (was wörtlich bedeutet: verzichten, vermeiden, sich widmen bzw weihen) verwechseln, eine wichtige islamische Eigenschaft, die (nicht selten) als Verzicht auf Wohlstand und die guten Dinge des Lebens missverstanden wird. In seinem Buch Madarij al-Salikin untersucht Ibn al-Qayyim unterschiedliche Meinungen über die Bedeutung und Definition von Zuhd.

Ibn al-Qayyim betont, dass Zuhd nicht die Ablehnung von weltlichen Dingen ist. Die Propheten, wie David, Salomon, Muhammad – Allah segne sie und schenke ihnen Heil – und viele Gefährten waren trotz ihrer Besitztümer und Autorität die frommsten (azhad) ihres Zeitalters.

Die Hauptaussage dieser Erklärung ist, dass Zuhd eine Geisteshaltung bedeutet, die von der Gier nach weltlichen Dingen befreit und sie nicht zum Hauptziel des Lebens werden lässt. Man kann diese Geisteshaltung also haben, trotz der Tatsache, dass man alle Arten des weltlichen Überflusses besitzt und auch wenn es in Armut eben daran mangelt.

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

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