Oswald Spenglers Darlegung der verschiedenen kulturellen Geistesepochen

Oswald Spengler unterteilt in seinem monumentalen kulturphilosophischen Geschichtswerk „Der Untergang des Abendlandes“ (1922) die Entwicklungsstadien der allgemeinen Geistesgeschichte in 4 Epochen, die er nach den Jahreszeiten benennt und innerhalb dieser Jahreszeiten in verschiedene Phasen einteilt.

FRÜHLING: Landschaftlich-intuitiv. Mächtige Schöpfungen einer erwachenden traumschweren Seele. Überpersönliche Einheit und Fülle.

  1. Geburt eines Mythus großen Stils als Ausdruck eines neuen Gottgefühls. Weltangst und Weltsehnsucht.
  2. Früheste mystisch-metaphysische Gestaltung des neuen Weltblickes.

SOMMER: Reifende Bewusstheit. Früheste städtisch-bürgerliche und kritische Regungen.

  1. „Reformation“: Innerhalb der Religion volksmäßige Auflehnung gegen die großen Formen der Frühzeit.
  2. Beginn einer rein philosophischen Fassung des Weltgefühls. Gegensatz idealistischer und realistischer Systeme.
  3. Bildung einer neuen Mathematik. Konzeption der Zahl als Abbild und Inbegriff der Weltform.
  4. „Puritanismus“: Rationalistisch-mystische Verarmung des Religiösen. Intellektueller Fanatismus.

HERBST: Großstädtische Intelligenz. Höhepunkt strenggeistiger Gestaltungskraft.

  1. „Aufklärung“: Glaube an die Allmacht des Verstandes. Kultus der „Natur“. „Vernünftige Religion“.
  2. Höhepunkt des mathematischen Denkens. Abklärung der Formenwelt der Zahlen.
  3. Die großen abschließenden Systeme.

WINTER: Anbruch der weltstädtischen Zivilisation. Erlöschen der seelischen Gestaltungskraft. Das Leben selbst wird problematisch. Ethisch-praktische Tendenzen eines irreligiösen und unmetaphysischen Weltstädtertums.

  1. Materialistische Weltanschauung: Kultus der praktischen Erfahrung des Nutzens, des Glückes.
  2. Ethisch-gesellschaftliche Lebensideale: Epoche der „Philosophie ohne Mathematik“.
  3. Innere Vollendung der mathematischen Formenwelt. Die abschließenden Gedanken.
  4. Sinken des abstrakten Denkertums zu einer fachwissenschaftlichen Kathederphilosophie. Kompendienliteratur.
  5. Das Ende: Ausbreitung einer letzten Weltstimmung.

In einer Schautafel vergleicht Spengler anhand dieser Unterteilung die Geistesgeschichten der indischen, der antiken (griechischen), der arabischen und der abendländischen Kultur.

Was meint ihr, an welcher Stelle er kurz und bündig „Mohammed, 620“ eingetragen hat?

Hier eine Neueditierung der Spenglerschen Schautafel auf http://gutenberg.spiegel.de/buch/der-untergang-des-abendlandes-erster-band-5332/20

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

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