Identität – Ich bin ein Kulturpatriot

von Yahya ibn Rainer (am 16. November 2012)

Unser deutsches kulturelles Erbe ist reichhaltig und durchaus beachtenswertes. Anerkannte Leistungen auf dem Gebiet der Natur- und Geisteswissenschaften gehören ebenso zu unserem kulturellen Erbe, wie gewachsene und tradierte Sitten und Gebräuche.

Besonders die Deutsche Sprache ist eine weltweit hochgeachtete Kultursprache, die mit einer besonders tief gehenden und bedeutungsschweren Etymologie (Usul) gesegnet ist.

Der bekannte deutsche Schriftsteller Ernst Moritz Arndt (1769-1860) äußerte sich zu unserer Sprache in folgender Weise:

„Die deutsche Sprache ist nach allgemeinem Einverständnis eine der wichtigsten der Welt, tief und schwer an Sinn und Geist, in ihren Gestalten und Bildungen unendlich frei und beweglich, in ihren Färbungen und Beleuchtungen der innern und äußern Welt vielseitig und mannigfaltig. Sie hat Ton, Akzent, Musik. Sie hat einen Reichtum, den man wirklich unerschöpflich nennen kann und den ein Deutscher mit dem angestrengtesten Studium eines langen Lebens nimmer umfassen mag.“

Und sein Berufskollege Arnold Zweig (1887-1968) veranschaulichte diese Tatsache noch mit großen Namen und eindrucksvollem Pathos:

„Diese Sprache, in der Luther donnerte und Heine kämpfte, Goethe bildete und Schiller hingerissen lehrte, die mit Schopenhauers Groll ebenso stark, wie lind mit Kellers Helligkeit tönte, sich in Nietzsche zur stählernen Härte und Melodie steigerte und in Kleist grausam und hiebhaft wie das Leben des Genies sich krampfte, mit Jean Paul die grenzenlose Phantasie und Heiterkeit der zarten Enge wie mit Lessing die bebende Klarheit der geistigen Leidenschaft offenbarte: diese Sprache, die heute und für immer von Dichtern und Künstlern getragen wird, weil in der menschlichen Seele immer Erhabenheiten und Zärtlichkeiten drängen werden, die so nur auf deutsch sich kundtun werden.“

Was also können wir tun, um dieses kulturelle Erbe zu würdigen?

Wir (und damit meine ich alle Menschen, die heutzutage von diesem reichhaltigen Erbe partizipieren und profitieren) sollten uns Wissen darüber aneignen, es wertschätzen, pflegen, erhalten und weitergeben. Wir sollten es als Teil unserer Identität ansehen und nicht als selbstverständlich hinnehmen.

Vor allem aber sollten wir keinen Hochmut und falschen Eigenstolz damit verbinden, denn dieses Erbe ist nicht unser Verdienst. Es ist das Werk unserer Vorfahren, an dem wir keinerlei Anteil haben. Unser Verdienst kann es erst werden, wenn wir durch unser Ableben selbst die Position eines Vorfahren erreicht haben und wir als solcher das kulturelle Erbe tatsächlich auch anständig und verantwortungsvoll weitergegeben haben. Darüber jedoch urteilen nicht wir, sondern unsere Nachfahren.

Warum jetzt dieses Bekenntnis von mir und auf diesem Blog?

Es ist wohl unübersehbar, dass Deutschland in einer Identitätskrise steckt. Nicht nur gewachsene und tradierte Moral und Sitte wird relativiert oder gänzlich abgeschafft, sondern auch das allgemeine Interesse für die eigene Kultur lässt sichtlich nach. Jegliche Form von Brauchtum, z.B. auch das kulinarische, scheint nur noch ein Nischendasein zu fristen, während sich die türkische, chinesische, indische, griechische und italienische Küche einer außerordentlichen Beliebtheit erfreut.

Es gibt in Deutschland lebende Ausländer, seit 10, 20, 30 und mehr Jahren, die noch nie einen nordischen Labskaus, winterlichen Grünkohl, einen Tafelspitz, Sauerbraten oder Kohlrouladen gegessen haben. Dahingegen hat gewiss jeder Deutsche schon einmal einen Döner oder Gyros, eine Pizza oder gebratenen asiatische Nudeln verspeist.

Wie kommt das?

Der Grund, wieso ich diesen Text schreibe, ist das Aufkommen einer neuen politisch-gesellschaftlichen Bewegung, die (wie im heutigen Zeitalter üblich) im Netz seinen Ursprung feierte. Diese Bewegung nennt sich selbst Identitäre Bewegung und ihre Mitstreiter schlicht und einfach Identitäre.

Wie es der Name schon sagt, berufen sich die Aktivisten auf ihre Identität und sie scheinen die Absicht zu haben, diese Identität wieder zu stärken. So weit, so gut! Bis hier kann ich einstimmen und bin wohlwollend. Der Weg jedoch, wie sie diese unsere Identität retten bzw stärken wollen ist alles andere als identitär.

Die ersten (mir bekannten) öffentlichkeitswirksamen Aktionen dieser Bewegung fanden in Frankreich (Poitiers), Österreich (Wien) und Deutschland (Frankfurt a. M.) statt.

Im französischen Poitiers eroberte man mit ca 60 Aktivisten das Dach einer Moschee, pünktlich zum Morgengebet, und skandierte Parolen gegen eine befürchtete Islamisierung Europas.

In Wien maskierte man sich u.a. mit Affen- und Schweinsmasken und hüpfte zu Hardbass-Musik auf öffentlichen Plätzen, in öffentlichen Verkehrsmitteln und vor Moscheen herum und hielt dabei Schilder hoch, auf denen u.a. „Multikulti wegbassen“ und „Tanz die Reconquista“ stand.

In Frankfurt stürmten erst kürzlich drei solche Hüpfer samt Ghettoblaster und Kameramann eine Veranstaltung der „Interkulturellen Wochen“ und versuchten dem Wiener Beispiel gerecht zu werden.

Wo erkennt man da die deutsche Identität?

Nichts an diesen Aktionen (re-)präsentierte (auch nur ansatzweise) eine deutsche bzw abendländische Identität. Weder ein feiges Maskieren, noch diese unerträgliche Hunga-Bunga-Musik und das Rumhüpfen wie afrikanische Buschkrieger ist ein Ausfluss unseres kulturellen Erbes.

Vielmehr bekommt man den Eindruck, dass krampfhaft versucht wird linke Protestformen zu kopieren, wobei das wiederum doch das Dilemma ist, dem wir uns heutzutage ausgesetzt sehen. Linksdrallige Dominanz im gesamten Gesellschaftsleben hat doch letztendlich dazu geführt, dass traditionelle Lebensformen hierzulande nicht nur verpönt, sondern auch dem Vorurteil des Rechtspopulismus, -radikalismus und -extremismus ausgesetzt sind.

Die „identitären“ Hüpfdohlen von Wien und Frankfurt machen auf mich, als traditionsbewussten und wahrlich identitären Deutschen, eher den Eindruck von drogenkonsumierenden Technofreaks, die wohl schon des Öfteren von ihrem südländischen Pappen- und Pillendealer abgezogen wurden und deswegen ein wenig die partymäßige Sau raus lassen wollen.

Für unser kulturelles Erbe haben sie gar nichts getan und auch nichts dafür, es auch für „Fremde“ hier im lande schmackhaft zu machen. Wie wäre es, wenn man z.B. einen Zugang zu den Menschen findet, indem ihnen deutsche Literatur (z.B. in Form von Lesungen), deutsche Speisen (z.B. durch Volksküchen) und deutsche Geschichte (natürlich anständig revisioniert) näher bringt.

Und bevor man die Schuld anderen in die Schuhe schiebt, sollte man unsere Identität erst einmal wieder den eigenen Leuten schmackhaft machen. Denn es ist nicht die Schuld der Ausländer, dass die meisten Deutschen lieber Döner essen und keine Traditionen mehr kennen. Vielmehr spiegelt sich in den Attacken gegen das Fremde doch eher eine Art Neid wieder, da anscheinend jede Ethnie hierzulande ihre Traditionen besser und stolzer zu pflegen weiß als der allgemeine Deutsche.

Wenn man also nicht als eingeschnappter Neidhammel entlarvt werden möchte, sondern ernsthafte und gute Absichten hegt, dann bekämpft man nicht die Traditionalisten im eigenen Land, macht sie nicht verächtlich, sondern findet in ihnen Verbündete und schafft mit ihnen eine starke Gemeinschaft ethnopluralistischer Traditionalisten und bietet damit den modernistischen Gesellschaftklempnern und moralischen Relativisten Paroli.

 

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

3 Gedanken zu „Identität – Ich bin ein Kulturpatriot

  1. Assalamu alaikum warahmatullahi wa barakatuh,

    Bruder Yahya, Sie sind eine Inspirationsquelle und ein Vorbild für mich, ebenfalls eine deutsche Muslima wie Sie, wohl aber keine stolze Preußin, sondern vielmehr eine stolze Schwäbin. Ihre Gedanken regen mich ebenfalls zum Nachdenken an und haben mich von einem zeitweiligen Islam=arabische Kultur-Trip runter gebracht. So geht deutscher Muslim sein (wohl gemerkt nicht (!) „deutscher Islam“). Ich liebe Sie für Allah (und hoffe, dass das nicht falsch verstanden wird) und mache Dua, dass Sie uns noch lange erhalten bleiben und das Gehör bekommen, das Sie tatsächlich verdienen.

  2. AsSalaamu alykum,dem kann ich nur beistimmen,denn der Islam ist eine Religion für alle Menschen auf dieser Erde,die Verschiedenheit der Völker und deren Sprachen ist von laut Quran so gewollt,und steht in keinem Gegensatz zum Islam,der sich als letzte Offenbarung und Religion für alle Zeiten für die gesamte Menschheit in allen Orten versteht.-„Was du ererbt hast von den Vätern,erwirb es,um es zu besitzen“.(Natürlich nur das Gute)

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