Materialien zur Geschichte der Wahaby – 07.6 – Kriegsberichterstattung

Es wurden augenblicklich mit der Nachricht des Sieges Boten nach Konstantinopel und Kairo abgesendet, und durch ganz Hedschaz wurden die Türken übermütig und kehrten wieder zu ihrer nationalistischen Unverschämtheit und zu ihrem Stolze zurück, den sie neuerdings einigermaßen abgelegt hatten. Die Einwohner von Hedschaz waren mittlerweile zwar froh, gegen eine zweite Eroberung von Seiten der Wahaby sicher gestellt zu sein, ärgerten sich aber darüber, dass Araber von Türken besiegt worden und schauderten vor den Grausamkeiten, welche diese Sieger während und nach der Schlacht ausgeübt hatten. Die 300 Gefangenen, denen Pardon versprochen worden war, sendete Mohammed Aly nach Mekka und feierte, als ein echter türkischer Eroberer, seinen Triumph auf die Weise, dass er 50 derselben vor den Toren von Mekka spießen ließ; 12 derselben mussten denselben schrecklichen Tod vor den 10 Kaffeehäusern und an den Ruheorten zwischen Mekka und Dschidda erdulden, und die übrigen vor dem Tore der Stadt Dschidda, welches nach Mekka führt. Hier blieben sie, bis die Hunde und Raubvögel ihre Leichname verzehrt hatten. Wenn sich die Türken an dieser empörenden und abscheulichen Tat ergötzten, die sie einen kriegerischen Triumph nannten, so drückten dagegen alle mit ihnen alliierten Beduinen unverhohlen ihren höchsten Abscheu aus; Scherif Radscheh hatte sich alle Mühe gegeben, den Pascha davon abzubringen, jedoch vergebens.

Vier Tage nach der Schlacht langte Mohammed Aly mit gehöriger Schnelligkeit vor Taraba an, welche Stadt Faysal bei der Annäherung der Türken verließ. Die von ihren Alliierten verlassenen Einwohner kapitulierten, und der Pascha schlug an diesem Ort einige Zeit lang sein Hauptquartier auf. Die Türken plünderten einige Häuser und schleppten einige schöne arabische Weiber fort, die indessen auf Befehl des Paschas ihren Familien wiedergegeben wurden. Ghalye hatte sich zu den Beduinen geflüchtet. Man hätte sie gern als eine Trophäe nach Konstantinopel gesendet, aber keine Art von Vorschlagen konnte sie zur Rückkehr, oder dazu bewegen, den Anerbietungen der Türken zu trauen. Unmittelbar nach dem Siege bei Byssel befehligte der Pascha den Scherif Yahya, zu Lande mit seinen Arabern nach Gonfode zu gehen, und er verstärkte sein Korps mit den Truppen des Mahu Bey. Es wurde auch Befehl nach Dschidda gesendet, mehrere Transporte mit Proviant nach Gonfode abzusenden. Da die Hauptstärke seiner Feinde in den südlichen Provinzen enthalten war, so beschloss Mohammed AIy, den Krieg auf dem Gebiete seiner Feinde zu führen und ihren ganzen Anhang zu vertilgen. Was nur an Vorräten zu Kolach noch aufgetrieben werden konnte, wurde auf die 5, oder 6000 Kamele geladen, welche die Armee von Mekka aus mitgenommen hatte; ferner auf eine fast ebenso große Zahl, die nach der Schlacht Beute gemacht worden war.

Die Armee marschierte von Taraba aus durch das Gebiet der Araber des Stammes Oklob in südlicher Richtung nach Rannye und durchzog zwei Tage lang eine Ebene, welche von den Arabern des Stammes Sabya bewohnt wird, deren Scheikh, Ibn Katnan, hier ein kleines Kastell angelegt hatte, welches sich übergab. Vier Tagereisen von hier kamen sie in den Distrikt Beische, eine fruchtbare Landschaft, die dem mächtigen Stamme der Ben Salem gehörte, deren Häuptling, Ibn Schokban, ein wichtiger Mann im Heere der Wahaby war. Hier waren auf den ausdrücklichen Befehl Sauds zwei kleine Kastell angelegt, indem er alle Hauptpositionen dieser Länder auf ähnliche Weise befestigt hatte. Ibn Schokban hatte sich nach der verlorenen Schlacht zu den Zelten einiger benachbarten Beduinen des Stammes Kahtan geflüchtet. Eins dieser Kastell öffnete seine Tore und in dem anderen verteidigte sich Ibn Schaban. ein zweiter Häuptling der Beni Salem, vier Tage lang gegen die ganze türkische Infanterie, welche von Hassan Pascha befehligt wurde, während Mohammed Aly mit seiner Reiterei in den Dattelwäldern auf der südlichen Seite von Beische seine Stellung genommen hatte.

Dem Schaban wurden Kapitulationsvorschläge mit dem Versprechen des sicheren Geleits gemacht. Diese nahm er unglücklicher Weise an und verließ mit seiner Garnison von ungefähr 60 Mann das Kastell, empfing auch Kamele zum Transport seines Gepäcks. Nachdem er aber zum Zelte des Hassan Pascha gegangen war, um demselben seine Aufwartung zu machen, warf ihm dieser fanatische Türke Ketzerei vor. Schaban verteidigte kühn seine Meinungen und gab den Vorwurf zurück, worüber Hassan Pascha so wütend wurde, dass, als Schaban mit seinen Leuten das Zelt verlassen hatte, er seinen Soldaten befahl, über diese Araber herzufallen, worauf sie dann alle niedergemetzelt wurden. Von solchen schändlichen Vorfällen, die sich häufig ereignen, pflegt die türkische Regierung niemals Notiz zu nehmen.

Die Armee blieb etwa 14 Tage in Beische, der wichtigsten Position in dem Lande östlich von den Gebirgen Jemens, und deshalb auch von den nördlichen Beduinen der Schlüssel Jemens genannt. Hier schlossen sich an den Pascha viele Beduinen an. Alle diejenigen, welche mit den Wahaby unzufrieden waren und alle die Verwandten derjenigen Scheikhs, die abgesetzt worden waren, kamen jetzt zu Mohammed Aly, um bei ihm Hilfe zu suchen. Er ahmte das System Sauds nach und änderte überall die Häuptlinge der Stämme, wodurch er sich eine starke Partei machte. Hier erfuhr er, dass Tamy abermals eine beträchtliche Armee in seinen Bergen gesammelt habe und entschlossen sei, zum zweiten Male ein Treffen zu wagen. Mohammed Aly richtete nun seinen Marsch nach dem Gebiete Tamys und wendete sich von Beische nach Westen.

Auf diesem Marsch hatte seine Armee großen Hunger und Strapazen auszustehen. Die Hälfte der Kamele war bereits vor der Ankunft der Truppen zu Beische umgekommen, und viele Pferde hatten ein gleiches Schicksal gehabt. Die Vorhut reinigte schon die ganze Straße von jedem Hälmchen Gras, sodass die Nachfolgenden nichts, als eine unfruchtbare Wüste fanden. Als die Türken nahten, flohen die Araber nach allen Richtungen mit ihrem Vieh und ihren Lebensmitteln, während die Beduinen selbst, die der Armee folgten, die allgemeine Unordnung benutzten und manche Ladungen entwendeten. So oft man Halt machte, fielen eine Menge Kamele, und ihr Fleisch wurde von den Soldaten gierig verzehrt. Der letzte Zwieback war zu Beische verteilt worden, und nach der Zeit blieb es jedem überlassen, sich zu verproviantieren, wie es nur gehen wollte. Der Pascha fand es nötig, den Truppen täglich einen Piaster zuzulegen, aber dieser Zuschuss gewährte wenig Hilfe in einer Gegend, wo so viel in Brot verwandeltes Getreide, als den Hunger eines Mannes ein einziges Mal zu stillen vermochte, 12 Piaster kostete.

Zwei Tagereisen von Beische erreichte die Armee ein gebirgiges Land, welches von seinen Bewohnern fast gänzlich verlassen war. Unter den Arabern des Stammes Schomran genossen die Türken einige Tage Ruhe. Hassan el Sulsan, ein Beduinenhäuptling, stammte von einem Manne ab, welcher vor 300 Jahren, als Othman Pascha Jemen unter der Regierung Selim des Großen eroberte, an die Spitze dieses Stammes gesetzt worden war, und Mohammed Aly setzte ihn wieder in die alten Rechte seiner Familie ein. Hier fielen in einem Tage 100 Pferde. Die Soldaten wurden unzufrieden; da sie aber wohl einsahen, dass ein Rückzug unvermeidliches Verderben bringen müsse, so schritten sie immer vorwärts. Der Pascha ließ alle seine Anführer absteigen und an der Spitze ihrer Korps zu Fuße marschieren. Seinen Soldaten versprach er glänzende Beute bei der Plünderung der Städte Jemens und suchte sie auf diese Weise bei Mut zu erhalten. An jedem Rastort wurde vor dem Zelte des Paschas ein Markt gehalten, wo die alliierten Beduinen den Truppen verkauften, was sie unterwegs den Arabern hatten abnehmen können. Der Pascha selbst führte den Vorsitz und hielt auf strenge Ordnung.

An dem Gebiete der Asyr-Araber boten die steilen Berge dem Transporte der Artillerie große Schwierigkeiten dar. In dieses Gebiet rückte die türkische Armee 12, oder 14 Tage nach ihrem Ausmarsch aus Beische ein und rastete in der Nähe des Kastells, namens Tor, welches auf einer Anhöhe stand und von Bergen umgeben war. Abu Nokta, der Vorfahr Tamys, hatte dasselbe erbaut, und es galt für so fest, dass eine arabische Macht es nicht zu nehmen vermöge. Hier hatte Tamy 8 bis 10.000 Mann versammelt, welche der Pascha angriff. Die türkischen Truppen wurden aber, wie bei Byssel, den ersten Tag zurückgeschlagen. Die Asyr feuerten unaufhörlich, und es waren 300 Türken geblieben. Man sah den Tamy zu Pferde vor der Front seiner Krieger, durch Kriegsgesänge sie ermutigend. Als die Feldschlangen den zweiten Tag ihre Wirkung tun konnten, wichen die Wahaby; Tamy selbst floh, war aber der letzte, welcher das Schlachtfeld verließ. Die Schlacht war besser besprochen worden, als jene bei Byssel, und die Menge Beduinen, welche die Türken begleiteten, gaben letzteren das Übergewicht über ihre Feinde. Im Kastell fand man beträchtliche Vorräte von Lebensmitteln, welche der Armee sehr gute Dienste leisteten; ferner Munition und die im vorigen Jahre zu Gonfode eroberten Kanonen, wie auch einen großen Vorrat von Feuergewehren, alte persische Flinten, die von den Arabern besonders geschätzt werden.

Nachdem Radscheh befehligt worden war, den Tamy zu verfolgen, gab Mohammed Aly dem Stamm Asyr einen neuen Scheikh, namens Ibn Medry, und verfolgte seinen Weg durch steile Pässe gegen die Meeresküste hin. Er scheint gewünscht zu haben, aus der weniger gebirgigen Gegend am westlichen Fuße der hohen Bergkette nach Jemen vorzurücken. Scherif Hamud, mit dem Beinamen Abu Mesmar, war in Besitze der Meeresküste. Früher hatte er es mit den Wahaby gehalten, nachdem er viele Kämpfe mit ihnen gefochten hatte; als aber die Türken nach Hedschaz kamen, sendete er reiche Geschenke an den Pascha nebst der Versicherung, dass er bereit sei, das türkische Interesse zu unterstützen. Die häufigen Niederlagen der Türken hatten indessen seinen Eifer abgekühlt. Er trat in Verbindung mit Tamy, und ein Gesandter, den Mohammed Aly an ihn sendete, fand ihn eben mit Kriegszurüstungen beschäftigt. Es unterlag geringem Zweifel, dass er sich den Wahaby angeschlossen haben würde, sobald die türkische Expedition unglücklich abgelaufen wäre. Der Pascha hatte schon längst sehnlich gewünscht, in dem weltberühmten Reichtum Jemens zu schwelgen, der jedoch im Morgenland sehr übertrieben wird. Er hätte sich auch gern in den Besitz der Dollars gesetzt, welche jährlich in großen Summen von Kairo gesendet werden, um dafür Kaffee zu kaufen; und in Hedschaz erzählte man sich, dass er im Fall eines glücklichen Ausganges seines Krieges mit den Wahaby entschlossen gewesen sei, Hamud anzugreifen. Für diesen Zweck hatte er eine Korrespondenz mit dem Imam von Sanaa angeknüpft, der Geschenke gesendet hatte und an dem Ausgange dieser Unternehmung herzlichen Anteil nahm, indem sie ihn von zwei gefährlichen Nachbarn, den Wahaby und dem Scherif Hamud, würde befreit haben.

Die Armee verriet indessen nach einem so langen, ermüdenden und gefährlichen Marsch hier starke Symptome von Unzufriedenheit und erklärte offen, dass es ihr Wunsch sei, nach Mekka zurückzukehren. So viel ist gewiss, dass Mohammed Aly, um sie zu beruhigen, zu dem Versprechen sich genötigt sah, dass sie bald nach Ägypten zurückgesendet und durch frische Truppen ersetzt werden sollten. Statt sich nun südlich zu wenden, marschierte er nach Gonfode.

Nach der verlorenen Schlacht flüchtete sich Tamy in die Nähe von Arysch in das Haus eines Scherifs, der sein Freund und von Hamud ein Verwandter war. Der Scherif hielt dieses für eine günstige Gelegenheit, einen feindlichen Einfall abzuwenden und zugleich seine veränderten Gesinnungen und seine Unterwürfigkeit zu bekunden. Tamy wurde in Ketten gelegt, und ein Bote mit einem Briefe von Hamud, in welchem sich der Scherif den Sklaven Mohammed Alys nannte, in das türkische Hauptquartier gesendet und gefragt, was er mit seinem Gefangenen anfangen solle. Scherif Radscheh, welcher damals die Gebirge durchstrich, um den Flüchtling aufzusuchen, erhielt Befehl, ihn nach Gonfode zu bringen, wohin sich die Armee jetzt begab und Überfluss an Lebensmitteln fand, die zu Wasser von Dschidda herbeigeschafft worden waren.

Mohammed Aly hatte eine Abteilung Soldaten von Rannye aus gesendet, um von Osten her nach Zohran zu dringen, während Mahu Bey über die Gebirge kam und durch ein geschicktes Manöver die Araber des Bakhrudsch zwischen zwei Feuer brachte, sodass sie eine förmliche Niederlage erhielten, wobei Bakhrudsch selbst gefangen genommen und nach Gonfode gebracht wurde. Hier blieb der Pascha mehrere Tage, und seine beiden edlen Gefangenen befanden sich in Zelten, welche dicht an dem seinigen aufgeschlagen waren. Tamys Benehmen flößte der ganzen Armee Achtung ein. Der Pascha unterhielt sich oft mit ihm zum Zeitvertreib, gleich wie der Tiger mit seiner Beute spielt, ehe er sie mit seinen Klauen packt; aber Tamys würdiges Benehmen bezwang selbst dieses Türken Wildheit, und er versprach ihm, sich für ihn zu verwenden und ihm vom Sultan die Erlaubnis zu verschaffen, in den Gebirgen Romliens in Zurückgezogenheit zu leben. Tamy war ein Mann von großen natürlichen Kräften, dabei von Statur kurz, mit einem langen weißen Bart und feuersprühenden Augen; in der Regel war er sarkastisch, aber gegen den türkischen Feldherrn höflich. Bakhrudsch dagegen verharrte in mürrischem Schweigen und hatte die Überzeugung, dass ihm Mohammed Aly den Brief nie vergeben werde, den er einst an ihn geschrieben hatte; auch verlangte ihn der Pascha nie zu sehen. Als Bakhrudsch eines Nachts die Entdeckung machte, dass seine Wächter eingeschlafen seien, ergriff er einen Dolch und entledigte sich damit seiner Bande. Er entkam aus dem Lager, wurde aber wieder eingeholt, nachdem er zwei Mann getötet und einen dritten verwundet hatte. Den folgenden Tag fragte ihn Mohammed Aly, mit welchem Recht er seine Soldaten getötet habe. „Wenn ich nicht gefesselt bin“, erwiderte Bakhrudsch, „so handele ich, wie es mir gefällig ist.“ „Ich werde es ebenso machen“, sagte der Pascha, und um seine Türken zu unterhalten und zugleich seine Rache zu befriedigen, ließ er den unglücklichen Gefangenen, gebunden, wie er war, seiner Leibwache übergeben, mit dem Befehl, ihn mit ihren Säbeln schwach zu verwunden, damit seine Qual desto länger dauere. Er gab endlich den Geist auf, ohne einen einzigen Klagelaut ausgestoßen zu haben. Sein Kopf wurde mit Tamy nach Kairo und Konstantinopel gesendet. Nach seiner Ankunft in letzterer Stadt wurde Tamy sogleich enthauptet.[1]

Von Gonfode marschierte der Pascha nach Mekka, wo selbst er den 21sten März, also 15 Tage nach seinem Ausmarsch aus Gonfode. anlangte. Von welcher Art diese Kriegsunternehmung gewesen sei, wird man daraus abnehmen können, wenn ich sage, dass von mehr als 10,000 Kamelen, die ursprünglich bei der Armee waren (die Hälfte dieser Zahl war bei Byssel Beute gemacht worden), nur 300 nach Mekka zurückkehrten, indem alle übrigen unterwegs umgekommen waren. Viel Gepäck und Munition war zu Grunde gegangen, weil es an Transportmitteln fehlte; es kamen auch nur 300 Pferde zurück. Von den 4000 Türken, die von Mekka aufgebrochen waren, kehrten nur 1500 zurück und alle, vom Vornehmsten bis zum Niedrigsten, waren von Strapazen erschöpft und ohne Kleider und Geld.

Mohammed Aly ließ sie, nach dem zu Gonfode ihm abgepressten Versprechen, sämtlich zu Dschidda einschiffen und behielt nur Hassan Pascha, mit einigen 100 Arnauten in Hedschaz. Bald nachher langte aus Ägypten neue Verstärkung an.

Die Stärke der Wahaby war jetzt, besonders im Süden, bedeutend vermindert worden. Als die Schlacht bei Byssel vorfiel, stand Abdallah Ihn Saud mit einem Truppencorps in der Provinz Kasym, in der Absicht, sich den Fortschritten Tusun Paschas bei Medinah entgegen zu setzen; er kehrte aber nach Derayeh zurück, als er die Niederlage der Seinigen erfuhr, indem er einen Angriff von Mohammed Aly befürchtete, der leicht von Taraba nach Nedschid hätte rücken können.

Bald nach seiner Ankunft zu Mekka versammelte der Pascha die vornehmsten Männer und die Ulama der Stadt und las ihnen einen Brief vor, den er an Abdallah Ibn Saud geschrieben und ihn in demselben ermahnt hatte, sich zu unterwerfen und Friedensvorschläge zu machen. Er verlangte von ihm, dass er die Schätze wieder ersetzen solle, welche sein Vater vom Grabe des Propheten zu Medinah genommen habe, wenn er nicht dasselbe Schicksal zu erfahren wünschte, was seine Freunde im Süden betroffen habe. Diesen Brief brachte ein türkischer Soldat, begleitet von einigen Beduinen, nach Derayeh. Nach einem kurzen Aufenthalte zu Mekka, nachdem Mohammed Aly den Hassan Pascha zum Gouverneur dieser Stadt gemacht, den Hossein Bey, einen Reiteranführer, und den Scherif Radscheh nach Taraba und Beische als Besatzung gelegt hatte, begab er sich nach Medinah, wo er unerwartet den 14ten April mit einem Gefolge von 30, oder 40 Mann auf Dromedaren anlangte, indem er die ganze Reise zu Lande gemacht hatte. Tusun Bey hatte bereits Medinah verlassen, und Thomas Keith oder auch Ibrahim Aga, war einstweilen Gouverneur dieses Platzes.

Als die Nachricht von dem Siege des Mohammed Aly zu den nördlichen Stämmen gelangte, machten viele ihrer Scheikhs dem Tusun Pascha, welcher sich damals zu Medinah befand, Vorschläge und erboten sich, ihn gegen die Wahaby zu begleiten, deren Macht drückender im Norden, als bei den südlichen Stämmen empfunden wurde. Im März kamen die meisten Scheikhs der Provinz Kasym einer nach dem anderen nach Medinah und gaben Tusun Pascha die Versicherung, dass sie bereit seien, ihn zu unterstützen. Er machte ihnen Geschenke und gab ihnen 400 Reiter mit, als eine Garnison für einige ihrer Dörfer. Tusun selbst hatte jetzt Hoffnung, Nedschid zu erobern. Trotz seines persönlichen Mutes, den er so oft bewiesen hatte, war er doch immer bei seinen Unternehmungen in Hedschaz unglücklich gewesen. Er strebte darnach, mit seinem Vater in dem Ruhm zu wetteifern, den sich derselbe im letzten Feldzug erworben hatte; aber gleich den meisten Türken verstand er nicht, seine Mittel zu berechnen. Mohammed Aly hatte seinem Sohne keine bedeutenden Geldsummen anvertraut, da er seine Freigebigkeit und großartige Denkweise kannte, beabsichtigte vielleicht auch, dass keiner, außer ihm, sich in Hedschaz Ruhm erwerben solle. Dem Tusun fehlte es an Kamelen und an Unterhalt für die benachbarten Araber. Der Preis aller Dinge war in Medinah höher, als in Mekka. Tusun war indessen entschlossen, sein Glück zu versuchen, und verließ Medinah zu Ende des Monats März, marschierte noch Hanakye, einem zerstörten Dorfe mit Mauern, welches eine, oder zwei Tagereisen entfernt auf der Straße nach Kasym lag. Er hatte ungefähr 400 Kamele bei sich, welche mit Proviant beladen waren, 2 bis 300 Mann Reiterei und 400 Mann Infanterie. Ihm folgten einige 100 Beduinen, welche hauptsächlich zu den Stämmen Harb und Meteyr gehörten. Er blieb einige Zeit lang zu Hanakye und war noch immer daselbst, als sein Vater nach Medinah kam. Der Grund, weshalb Mohammed Aly diese heilige Stadt besuchte, war wahrscheinlich der, Auskunft über die Angelegenheiten des nördlichen Hedschaz zu erlangen und zugleich am Grabe des Propheten seine Andacht zu verrichten. Von Medinah aus sendete er sogleich dem Tusun Pascha den Befehl zu, Hanakye zu verlassen und zurückzukehren, um mit ihm die Maßregeln für künftige Unternehmungen zu besprechen. Sein Sohn war indessen entschlossen, die Unternehmung nicht aufzugeben und marschierte, sobald er den Befehl seines Vaters erhalten hatte, ohne demselben Folge zu leisten, nach der Provinz Kasym. Da er seinem Vater im Rang gleich war (denn er war, gleich ihm, ein Pascha von drei Rossschweifen), so hatte letzterer vielleicht Unrecht, wenn er ihm seine Abhängigkeit zu sehr fühlen ließ; und bei türkischen Großen darf man nicht etwa nach Kindesliebe fragen. Die Zölle von Dschidda, welche von Rechtswegen dem Tusun Pascha gehörten, waren von der Pforte dem Mohammed Aly zur Bestreitung des Krieges angewiesen worden, und Tusun Pascha erhielt nur, gleich den anderen Anführern der Armee, für jeden Tag etwas Bestimmtes. Als Mohammed Aly ihn über das ganze nördliche Hedschaz setzte, so gab er ihm von seinem eigenen Hof einen Mann bei, namens Kadery Effendy, durch welchen alle Geschäfte gemacht wurden und welchen Tusun bei allen Gelegenheiten fragen sollte, gleichsam, als ob ihn sein Vater zu dem hohen Posten, den er bekleidete, für untüchtig halte.

Bald nach ihrer Ankunft zu Medinah verlor Kadery Effendy, wie man hatte voraussagen können, die Gunst seines Zöglings, welcher ihm in einem Anfalle des Zornes den Kopf abschlagen ließ. In der Verwaltung der Geschäfte entstand nun große Unordnung. Die Interessen der Türken in Bezug auf die umgebenden Araber wurden schlecht gewahrt, die Soldaten erlaubten sich Erpressungen. Als Tusun Kamele brauchte, nahm er alles Vieh, was nur unter den Beduinen zu finden war; und als Mohammed Aly anlangte, war er, statt die Offensive gegen den Feind zu ergreifen, vollauf beschäftigt, den Schaden wieder gut zu machen, welcher aus den Fehlern seines Sohnes hervorgegangen war. 250 Reiter, unter Anführung des Thomas Keith (oder Ibrahim Aga), nebst einer Abteilung Fußvolk, mit welchem Ahmed Bonaparte eben von Kairo zurückgekehrt und von Yembo hier eingetroffen war, wurde dem Tusun Pascha als Verstärkung gesendet. Nach einem Marsch von 10, oder 11 Tagen von Medinah aus, erreichte Tusun Pascha zu Anfang des Monates Mai die Provinz Kasym. Unterwegs griff er die Heleym an; nahm ihnen 500 Kamele, die er nach Medinah sendete, damit sie von Yembo aus nach letzterer Stadt Proviant transportieren sollten. Als er nach Rass, einer der Hauptstädte, oder großen Dörfer der Provinz Kasym, kam (dieser Ort war mit einer Mauer versehen), fand er seine Reiterei, die ihm etwas vorausgegangen war; auch kamen die Scheikhs verschiedener Distrikte von Kasym, um Maßregeln mit ihm zu verabreden. Aber der oberste Häuptling von Kasym, namens Hedscheilan, kam nicht, indem er dem Saud immer aufrichtig ergeben gewesen war; und ebenso war er jetzt dem Interesse seines Sohnes zugetan, zu dessen Unterstützung er seine Araber bei der Stadt Bereydha versammelte. Im Januar 1815 kam ich nach Medinah und musste bald wegen Krankheit das Bett hüten. Damals kam mein Sklave häufig weinend nach Hause und klagte, dass ihm die türkischen Soldaten das Fleisch genommen hätten, welches er für mich gekauft habe, auch sei er geschlagen worden, als er nicht gutwillig sich gefügt habe.

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[1] Gegen das feierliche Versprechen, welches Mohammed Aly dem Tamy gegeben hatte, wurde letzterem, als er nach Kairo kam, eine große Kette um den Hals gelegt, er selbst auf ein Kamel gesetzt und in diesem Aufzug mit einem Sack über seine Schultern, in welchem sich der Kopf des Bakhrudsch befand, durch die Straßen geführt.

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

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