Von „Salafismus“-Aussteigern und blinden Kollaborateuren

von Yahya ibn Rainer

Es kommt wirklich nicht häufig vor, aber wenn, dann wird zumeist eine große Sache daraus gemacht. Sogenannte „Salafismus“-Aussteiger sind ein knappes und daher auch begehrtes und kostbares Gut für Medien und staatsalimentierte Vereine.

Für die Medien hat sich das Thema „Salafismus“ grundsätzlich zu einem erträglichen Geschäft entwickelt, da sie ihn ohne weiteres mit internationalem Krieg und Terrorismus verlinken und somit die fleißig geschürten Ängste in der Gesellschaft bedienen können.

Die zahlreichen Vereine, die für ihren Kampf gegen politisch, gesellschaftlich und religiös Andersdenkende beim Staat zwangsenteignete Gelder anzapfen wollen, brauchen hingegen belastbare Erfolge, da sie in diesem florierenden Geschäft einem gewissen Wettbewerb ausgesetzt sind.

Im Rahmen dieses Wettbewerbs bleibt es anscheinend leider nicht aus, dass man die seltenen Früchte des Erfolges öffentlichkeitswirksam in Szene setzen muss. Man zerrt also die zumeist noch jungen Männer, von denen zuvor behauptet wurde sie wären orientierungslose und verunsicherte Opfer aus vermeintlich zerrütteten Familienverhältnissen, vor die Mikrophone und Kameras öffentlicher und privater Medien und sichert auf diese Weise belastbare Belege für den angeblichen Erfolg der staatlich finanzierten ideologischen Arbeit.

Die mediale Darlegung des sogenannten „Ausstiegs“ bietet zumeist keine sonderlich geistreichen Inhalte. Die zuvor selbst praktizierten streng religiösen Maßgaben und Verbote werden in der Nachlese als zu radikal erachtet und ehemals gepflegte politische und gesellschaftliche Meinungen und Ansichten als extremistisch.

All dies, was nun also nachträglich als „zu radikal“ und „extremistisch“ empfunden wird, fasst man unter dem Begriff „Salafismus“ zusammen und das Verlassen dieser Praktiken und Standpunkte wird somit zum „Verlassen des Salafismus“ stilisiert.

Die Schilderung dieser ehemaligen Anschauung wirkt drastisch und düster, da sie u.a. vollkommen außer Acht lässt, dass diese Lebensweise aus freien Stücken gewählt und praktiziert wurde und nicht erzwungen. Zudem wird suggeriert, dass dieses ehemalige Religionsverständnis in all seinen Facetten dem entspricht, was heute unter der Wortschöpfung „Salafismus“ subsumiert wird.

Dass dieser junge Mann eventuell einem vollkommen falschen Verständnis aufgesessen war und vielleicht sogar schon unter seinen ehemaligen „Mitsalafisten“ als Sonderling galt, bleibt nicht nur unerwähnt, sondern wird anscheinend sogar absichtlich verschwiegen. Als Instrument für ständig nach staatlichen Finanzspritzen schmachtenden Gesinnungsvereinen, ist ein solcher „Aussteiger“ nur nützlich, wenn er den „Salafismus“ als ganzheitliche Bewegung repräsentieren kann.

Da man speziell solche Menschen als besonders anfällig für den „Salafismus“ zeiht, die angeblich ein gestörtes Selbstwertgefühl haben und nach Aufmerksamkeit heischen, gilt ihre Preisgabe als Anschauungsobjekt in Print- und TV-Magazinen moralisch wohl als opportun. Sie erhalten somit ihre Aufmerksamkeit und entwickeln zum Teil sogar immense Ambitionen, wie man am Beispiel des erst kürzlich im TV präsentierten Aussteigers Musa Almani sieht, der sich in seinen neuesten Videoproduktionen wohl für das Rap-Business vorbereitet.

Die Qualität medialer Berichterstattung und staatlicher Expertise zum Thema „Salafismus“ ist erschreckend laienhaft und kann einer (auch nur halbwegs) kritischen Hinterfragung nicht standhalten. Die momentane gesellschaftliche Lage jedoch entpuppt sich als dermaßen desolat, dass eine Hinterfragung nicht einmal im Ansatz stattfindet.

Vielmehr nutzen sogar Muslime (die es eigentlich besser wissen sollten) die verlogenen medialen und behördlichen Verlautbarungen, um sich einer innerislamischen Auseinandersetzung zu entziehen, da die Grundlage einer solchen Auseinandersetzung auf Quellen beruhen würde, die sie zugunsten der staatlichen Anerkennung inhaltlich nicht mehr gänzlich gutheißen dürfen.

Muslimische Räte, Verbände und Vereine übernehmen häufig nicht nur unkritisch den behördlich vordefinierten Salafismusbegriff, sondern kooperieren auf seiner Grundlage auch mit der staatlichen Exekutive, um solche Muslime zu bekämpfen, die mit diesem Begriff zuvor willkürlich belegt wurden.  Diese (häufig geradezu uneingeschränkte) Zusammenarbeit gestattet es den Bundesämtern, bei der Ausgestaltung des Begriffes „Salafismus“ fachlich nicht nur äußerst schlampig, sondern auch maßlos übertrieben vorzugehen.

Bei der Akteneinsicht zum Vereinsverbot der Taiba-Moschee in Hamburg habe ich u.a. solchen Schwachsinn lesen können. Dort wurde von einem Fachidioten, der eine Freitagspredigt in der Moschee beurteilen sollte, doch tatsächlich behauptet, dass das Wort „Kuffar“ in deutscher Sprache so viel wie „Teufel“ bedeute. Demnach würden in der Predigt also sämtliche Nichtmuslime, die der Imam in seiner Predigt damit meinte, als Teufel dargestellt, was eindeutig gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoße.

Dieser und massenhaft weiterer Schwachsinn wird von vielen Muslimen geschluckt. Wenn sie nicht wirklich strunzdoof sind, was ich für sie hoffe, dann handeln sie zutiefst verwerflich wenn sie auf dieser Grundlage mit den Nichtmuslimen gegen eigene Geschwister kooperieren.

Es ist ein gewaltiges Armutszeugnis, wenn es die angebliche Mehrheit der Muslime in Deutschland nicht schafft, trotz hochgradiger Organisation und verfügbarer finanzieller Mittel, eine Grundlage für einen innerislamischen Dialog auf Augenhöhe und basierend auf anerkannten islamischen Quellen zu führen.

Dass man sich stattdessen mit Kriminalbehörden und Geheimdiensten verbündet, gemeinsame Ränke schmiedet und dabei auch offensichtliche Lügen und Übertreibungen absegnet, ist an Niedertracht fast nicht mehr zu überbieten. Vor allem aber, dass man dies in erster Linie tut um Anerkennung zu erhalten, um gleichwertiges Mitglied dieser relativistischen und kranken Gesellschaftsutopie zu werden oder um den Aufenthaltstitel abzusichern, das setzt dem Ganzen noch die Krone auf.

Man lässt sich mit Staatsverträgen nicht nur freiwillig das Maul verbieten, nein, man strotzt nur so vor Stolz auf diese Knebelverträge und entwickelt eine solch gewaltige Hybris, dass man sogar beginnt diesen staatlichen Knebel nun auch für alle anderen zu fordern. Das geht so weit, dass man Muslimen verfassungsmäßig geschützte Rechte aberkennt, indem man schon allein die Kritik an wesentlichen Elementen der Verfassung und an tragenden Bestandteilen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unterbindet und als staatlich bekämpfenswert erachtet. (Hierzu empfehle ich auch »diesen Beitrag«)

Wer sich in dieser Weise dem Staat anbiedert, zudem noch einem dermaßen gottlosen, der muss dringendst seine ‚Aqida überprüfen und sein Verständnis des Glaubensbekenntnisses. Wer auf der Basis von Lügen, Übertreibungen und Hetze einen gottlosen Staat dabei unterstützt, seine eigenen Glaubensgeschwister zu überwachen, unter Druck zu setzen und zu bekämpfen, der hat weder La ilaha noch illa’LLAH verstanden.

Das gilt für „Salafismus“-Aussteiger ebenso wie für Verbands- und Vereinsfunktionäre: Lebt euer Verständnis des Islams, niemand hindert euch daran. Ändert eure Ansichten und Meinungen so oft ihr wollt, diskutiert – falls ihr könnt und wollt – mit anderen Muslimen darüber oder meidet von mir aus andersdenkende Muslime in eurem Leben, aber bitte nehmt euch nicht die Kuffar zu Gehilfen gegen eure Geschwister im Islam, vor allem nicht solche, die durch Gewaltmonopol oder Medienmacht immensen Schaden anrichten können, denn das ist schäbig und eine gewaltige Gefahr für die Gültigkeit des Glaubens.

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

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