Sklaven/Knechte im jüdischen Recht (Halacha)

Oft wird der Islam von seinen Kritikern am Scharia-Recht kritisiert. Todesstrafen, Ehefähigkeit, Erbfolge, Zeugen usw., sind alles Bestandteile, die in der Scharia geregelt werden. Dieser Artikel befasst sich mit einem weiteren Thema, welches oft von Islamkritikern angesprochen wird, nämlich die Existenz von Sklaven bzw Knechten, also unfreien und leibeigenen Arbeitskräften im Scharia-Recht. Diese Arbeitnehmer werden natürlich auch im jüdischen Recht (Halacha) behandelt.

Im jüdischen Recht werden zwei Arten von Arbeitnehmern unterschieden:

1. Freie Arbeiter, die durch freie Vereinbarung, jedoch mit der steten Möglichkeit eines Rücktritts, ihre Arbeitskraft vermieten (s. Arbeitsvertrag) oder sich zur Vollendung eines bestimmten Werkes verpflichten (s. Werkvertrag);

2. sog. unfreie Arbeiter, die sich verbindlich für eine bestimmte Dauer in eine Dienststellung begeben und zumeist als „Sklaven“, richtiger jedoch wohl als Knechte (owed, wie auch Luther übersetzt), bez. werden. Zum Unterschiede von dem hebräische „Knecht“, ewed iwri heißt der kanaanitische Sklave (ewed kena’ani Kidd. 1, 2f.). Dieser im Talmud geläufige Ausdruck rührt wohl daher, daß in den Sklaven die Nachkommen von Noas Enkel Kanaan erblickt wurden, der nach Gen. 9, 25 von seinem Ahn mit dem Fluche ewiger Knechtschaft belegt worden war. Im Gegensatz zu diesen eigentlichen Sklaven des Altertums konnte sich der hebräische Arbeiter, dessen rechtliche Stellung im folgenden erörtert wird, nur für eine beschränkte Zeit verdingen; es gab also für ihn keine lebenslängliche Sklaverei (s. Lev. 25, 44). […]

Die grundlegende Bestimmung lautet, daß ein hebräischer Knecht (auch eine hebräische Magd) nicht mehr als sechs Jahre bei seinem Herrn dienen darf und im siebenten Jahre, vom Zeitpunkt seines Verkaufes an gerechnet, freigelassen werden muß (Ex. 21, 2ff.; Deut. 15, 12ff.). Diese Befreiung im Sabbatjahr (Schemitta) entspricht der Ruhe am Wochensabbat nach sechs Werktagen und ist zugleich eine Erinnerung an die Weltschöpfung in sechs Tagen und an die Allmacht Gottes, in dessen Dienst alle Menschen stehen. Wollte der Betreffende jedoch aus Anhänglichkeit an seinen Herrn oder an eine Magd, mit der er in Sklavenehe lebte, und an seine aus dieser Ehe hervorgegangenen Kinder weiterhin in seiner unfreien Stellung verharren, so sollte ihm in feierlichem Akt das Ohr durchbohrt werden. Ferner ist die generelle Befreiung der hebräische Knechte, auch der „Durchbohrten“ und unbekümmert um den Zeitpunkt des Beginns der Knechtschaft, im Jobeljahr vorgesehen (Lev. 25, 40f.). Das Gesetz vom Jobeljahr wurde allerdings schon sehr früh nicht mehr eingehalten (b. Arach. 29b ff.) und hatte jedenfalls während des zweiten Staatslebens keine Geltung mehr (s. Prosbul); damit fiel aber auch das Institut der hebräische Knechte dahin. Die Propheten, vor allem Jeremia (34, 8ff.), sind energisch für eine Freilassung aller hebr. Knechte eingetreten. […]

Die Begründung des Rechtsverhältnisses der unfreien Arbeiters, d. h. der hebräischen Knechte, erfolgte nur durch Verlust der Freiheit infolge von Verkauf durch die Behörde oder durch den Arbeiter selbst. Hingegen konnte ein hebräischer Knecht nicht durch Gefangennahme erworben werden. Zwar wird nach Beendigung eines Kampfes von jüdischen Stämmen untereinander von einer geplanten Versklavung der Gefangenen berichtet (ii. Chron. 28, 8ff.). Auf prophetische Intervention hin wurden diese Gefangenen jedoch alsbald wieder freigelassen, weil die in einem jüdischen Bürgerkrieg Besiegten eig. nicht zu Sklaven gemacht werden durften, sondern wieder freigelassen werden mußten. Der Raub eines Menschen ist mit Todesstrafe bedroht (Ex. 21, 16; Deut. 24, 7), und sicher konnte auf diese Weise in historischer Zeit kein unfreies Arbeitsverhältnis begründet werden. […]

Bemerkenswert ist noch das Recht des Vaters, seine minderjährige Tochter als Magd (ama iwrija) zu verkaufen (Ex. 21, 7ff.). Die Freilassung erfolgte von Gesetzes wegen sofort beim Eintritt ihrer Reife oder beim Tode ihres Herrn. Wurde sie vom Herrn oder von dessen Sohn geheiratet, so mußte sie als dessen legitime Frau betrachtet werden.

(Wörterbuch des jüdischen Rechts / Marcus Cohn / Seiten 40-42)

Es gibt im jüdischen Recht also die kanaanitischen Sklaven, die ein Leben lang unfreie und leibeigene Arbeitskräfte sind, und es gibt hebräische Knechte, die nur eine begrenzte Zeit als unfreie und leibeigene Arbeitskräfte gehalten werden dürfen.

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

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