Buchauszug: Ibn Khaldun – Über Rizq/Versorgung, Einkommen und Kapital/Vermögen

«Die erworbenen Dinge machen, wenn sie dem Umfang des (für den Menschen zum Leben) notwendigen Maßes und Bedarfes entsprechen, seinen Lebensunterhalt aus. Sie sind Vermögen und Kapital, wenn sie darüber hinausgehen. Wenn dann der Nutzen dieser erworbenen und erzielten Summe auf einen Menschen zurückfällt und er sie für eigene Interessen und Bedürfnisse ausgeben kann, so nennt man das Rizq (Versorgung). […]

Wenn der Mensch die (erzielte Summe) nicht für seine Interessen und Bedürfnisse nutzen kann, spricht man hinsichtlich des Eigentümers nicht von Rizq. Der Teil des Eigentums, den der Mensch durch seine Mühen und Fähigkeiten erlangt hat, wird Einkommen genannt.

So wird die Erbschaft in Bezug auf den Verstorbenen als Einkommen und nicht als Rizq bezeichnet, da der Verstorbene daraus keinen Nutzen mehr zu ziehen vermag. Im Hinblick auf die Erben wiederum wird es Rizq genannt, sofern diese daraus Nutzen ziehen.

Das ist es, was bei der Ahl as-Sunnah (den Sunniten) unter Rizq verstanden wird. Die Mutazila machte bei der Bezeichnung «Rizq» noch zur Bedingung, dass das Eigentum auf rechte Weise erworben sein müsse. Solch ein Besitzanspruch, der nicht rechtens sei, verdiene nach ihrer Auffassung nicht die Bezeichnung Rizq. Alles widerrechtlich Erworbene und Verbotene fiel bei ihnen nicht unter die Kategorie Rizq.

Allah der Erhabene jedoch versorgt in seiner Gnade sowohl denjenigen, der sich widerrechtlich etwas aneignet, als auch den, der Unrecht tut, ferner den Rechtgläubigen wie den Ungläubigen und führt, wen immer er will, auf den rechten Pfad. Die Mutaziliten haben für ihre Auffassung Argumente, für deren Darlegung hier jedoch nicht der Ort ist.

Wisse ferner, dass das Einkommen aus dem Streben, (bestimmte Dinge) anzuschaffen, und der Absicht, (diese) zu erlangen, resultiert. Auch für das Rizq sind Mühen und Arbeit unverzichtbar, selbst wenn man es auf die für seine charakteristische Art und Weise erlangt und erstrebt. Der Erhabene sprach:

«… Sucht darum bei Allah die Versorgung (rizq) …» Quran 29.:17

Die Mühen, das Rizq zu erlangen, hängen von der Vorherbestimmung Allahs, des Erhabenen, und Seiner Inspiration ab, denn alles rührt von Allah her. Menschliche Arbeit ist für alles Erworbene und jegliches Kapital unabdingbar. Handelt es sich dabei um Arbeit an sich, wie beispielsweise die menschlichen (praktischen) Fertigkeiten, so ist dies offensichtlich. Aber auch wenn das Rizq (aus der Arbeit) von Tieren, Pflanzen und Mineralien herrührt, ist die menschliche Arbeit dabei unverzichtbar, wie man sehen kann. Ohne sie wird nichts erreicht und lässt sich nichts nutzbar machen.

(Ibn Khaldun, Buch der Beispiele – Die Einführung/al-Muqaddima, übersetzt von Mathias Pätzold, Seite 210-211, leicht redigiert)

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

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