Warum Konvertiten den Islam wieder verlassen

Die erste große Enttäuschung, die Islamkonvertiten gemeinhin erfahren, sind die Muslime. Die Schuld daran ist sicherlich beiderseitig zu suchen, einerseits weil Konvertiten ihren religiösen Weg oft mit frischer Überzeugung und großem Enthusiasmus beginnen und geneigt sind alle anderen Muslime am eigenen hohen Maßstab zu messen (was eindeutig falsch ist). Andererseits aber befindet sich die muslimische Gemeinde in dieser speziellen Epoche in einer besonders prekären Lage; wirtschaftlich, gesellschaftlich als auch politisch, was sich extrem auf die Moral auswirkt und dazu führt, dass gerade aus der muslimischen Welt und aus muslimischen Communities viel Negatives zu berichten und zu erleben ist.

Wer nun den Islam nicht in erster Linie wegen seiner Botschaft annahm, sondern wegen den Muslimen, die sich ihm gegenüber – bspw. in der Werbung für den Islam (sprich: Dawa) – ganz anders präsentierten und den Zustand der Muslime (weil sie angeblich der Wahrheit folgen) viel blumiger darstellten, dann kann diese erste große Enttäuschung durchaus dazu führen, dass ein Konvertit den Islam wieder verlässt. Dies habe ich in den letzten 13 Jahren leider viel zu häufig erleben müssen.

Ein Problem ist bspw. der Zweifel am Islam des Konvertiten (bis hin zum Takfir) durch unwissende Mitglieder bestimmter muslimischer Communites, weil der Konvertit weiß ist. Ich selbst musste das nicht direkt erleben, weil ich eine arabische Muslima geheiratet habe und meine Frau & Kinder PoC sind, aber von weißen Konvertiten die unter sich heiraten oder während der Konversion bereits verheiratet waren, habe ich so etwas leider schon hören müssen, besonders ihren Kindern wird in der Schule u.a. von türkischen/arabischen/albanischen Kindern oft das Muslimsein abgesprochen und auch einigen muslimischen Communities scheinen rein weiße musl. Familien manchmal suspekt und man hält zumindest Distanz.

Mir sind auch Fälle von schwarzen Konvertiten bekannt, die aufgrund des antischwarzen Rassismus in vielen muslimischen Communities entsetzt waren, und auch hier ist mir mindestens ein Fall bekannt, bei dem diese Erfahrung zum Verlassen des Islams führte.

Andere (und nicht wenige) Konvertiten wurden ganz bewusst von (scheinbar frommen) Muslimen betrogen, bestohlen und abgezogen. Mir ist persönlich ein Konvertit bekannt, der mit seiner ganzen Familie nach Marokko ausgewandert ist und dort bei Käufen, Investitionen und anvertrauten Gütern um seine kompletten Ersparnisse betrogen wurde, u.a. vom Imam der Moschee, wo er regelmäßig betete. Mittlerweile musste er Marokko wieder verlassen.

Auch wegen Tätowierungen (aus der vorislamischen Zeit) werden Konvertiten oft geschmäht und angegriffen. Mir wurde gesagt, dass mein Islam nicht gültig sei, weil ich wegen meiner Tätowierungen keine rituelle Reinheit erlangen könne und ohne diese meine Gebete ungültig seien. Bei der Hajj wurde ich von einem arabischen Pilger sogar tätlich und äußerst respektlos zur Rede gestellt, wie ich es wagen könne, mit einem Tattoo zur heiligen Hajj zu gehen.

Ich könnte aus meinem 13-jährigen Erfahrungsschatz noch sehr viel berichten, aus eigenen Erlebnissen und von Erlebnissen anderer Konvertiten, die teils wirklich haarsträubend sind, aber dies ist nur eine Seite der Medaille. Es gibt nämlich auch unter uns Konvertiten große Katastrophen und ganz sicher auch den einen oder anderen Heuchler. Aber davon möchte ich im 2. Teil dieser Reihe berichten.

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

4 Gedanken zu „Warum Konvertiten den Islam wieder verlassen

  1. Assalamu Alaikum Yahya,
    ich glaube, dass auch Menschen den Islam verlassen aufgrund von schwierigen sozialen Verhältnissen (meist bereits vor der Konversion bestehend) in denen sie selbst Leben. Wenn die erste Euphorie für den neuen Glauben verflogen ist, ist es notwendig, dass ein solides Wissen und eine gefestigte Spiritualität die Grundlage der Religiösität bilden . Wenn diese beiden Aspekte fehlen, ist es nur noch eine Frage der Opportunität, wieso man letzlich den Glauben verlässt. Denn eine Frage besteht zweifellos: Ein praktizierender Muslim zu sein in der heutigen deutschen Gesellschaften ist mit Herausforderungen verbunden, auch wenn man sonst keine anderen Probleme im Leben hat.

    1. Was jene Angeht, die eine Beziehung zu Allah durch den Islam aufgebaut haben und Gewissheit besitzen über die moralischen Wahrheiten des Islams, dem wird die Religiösität helfen mit den Problemen in seinem Leben umzugehen. Ich glaube, dass eine ernsthafte, tiefe und andauernde Auseinandersetzung mit dem Islam bei Konvertiten häufig ausbleibt.

  2. Salamu alaykum. Es gibt auch viele Frauen die wegen der Männer konvertiert sind und schlimme Erfahrungen machen. Aber al hamdullilah bleiben viele beim Islam weil sie die Süsse des Glaubens erkannt haben und gut unterscheiden können was ist Islam und Akhira und was Dunya und Fehlerhaftigkeit der Menschen.

  3. Asalamulaykum,
    Yahaya 13 Jahre Islam (ich habe als 36 Jähriger Marokkkaner gerade mal 11 Jahre hinter mir) ist nicht viel…..Nicht falsch verstehen ich möchte auf etwas hinaus. Ich habe erlebt, dass Glaubensinhalte von einigen in Frage gestellt wurden und sie damit überhaupt nicht zurecht kamen. Sei es nun die Unterschiede zur anderen Aqidah Schulen oder die Tatasache, dass der so hoch Geschätzte Gelehrte schlimme Aussagen tätigte…..ALLAH hat mich in meinem bescheidenen Jahrzehnt im Islam erkennen lassen, das der Quran völlig vernachlässigt wird und mit sekundären Quellen ein total falscher Umgang gelehrt wird.

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