Wer oder was ist ein “Gefährder”?

von Yahya ibn Rainer

Folgendes vernahm ich heute aus verschiedenen medialen Quellen:

“Nach dem Attentat von Paris hat das Bundeskriminalamt (BKA) einem Magazinbericht zufolge einen Alarmplan für Deutschland in Kraft gesetzt.

Die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern seien angewiesen worden, schnellstmöglich die aktuellen Aufenthaltsorte islamistischer Gefährder oder von relevanten Personen aus ihrem Umfeld zu ermitteln, berichtete das Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” am Freitag vorab. Die Kontrollen sollten grundsätzlich verdeckt verlaufen.

(Quelle: http://de.reuters.com/article/domesticNews/idDEKBN0KI1RB20150109)

Gefährder, ein Begriff mit dem die wenigsten wirklich etwas anfangen können. Ich kenne ihn leider nur zu gut, denn ich wurde selbst dereinst verdächtigt ein solcher zu sein.

Doch wer oder was ist eigentlich eine sogenannter “Gefährder”? Das möchte ich versuchen hier kurz darzulegen.

„Ein Gefährder ist eine Person, bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche des § 100a der Strafprozessordnung, begehen wird.”

So steht es in einer Expertise des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages. Mit dem § 100a kann bestimmt auch nicht jeder auf Anhieb etwas anfangen. Nun, hier>> ein Link zum Gesetzesauszug. Interessant ist u.a. besonders dieser Teil:

(1) Auch ohne Wissen der Betroffenen darf die Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, …

Aber wie wird man zu einem Gefährder?

Diese Frage ist berechtigt und die Antwort darauf erschreckend. Die Einordnung in diese “Kategorie” geschieht nämlich nicht aufgrund klarer Beweise, sondern liegt anscheinend frei in der Entscheidungskraft einzelner Beamter … nicht selten beruhend auf Vermutungen und Gefühlen der Mißgunst. Es geht hier nicht um Bombenbau, Waffenbesitz und tatsächlich vorhandene Planungen zu politisch motivierten Straftaten, denn allein der Kontakt zu Personen, die bereits in dieser Schublade verstaut wurden, reicht aus, um Besuch von den Agenten des Verfassungsschutzes zu bekommen. Das Gespräch, welches sie dann mit dieser Person führen, nennen sie selber “Gefährder-Gespräch”. Beeindruckt von der Tatsache, selbst der Planung einer solchen Straftat verdächtigt zu werden, lassen sich dann viele dazu hinreissen dieses “Gespräch” über sich ergehen zu lassen, weil man glaubt, dass man nichts zu verbergen hat. Ein großer Fehler.

Die Einstufung als Gefährder ist von diesem Gespräch nämlich überhaupt nicht abhängig, es gibt im Groben nur zwei Gründe, weshalb sich der Verfassungsschutz dazu herablässt, persönlichen Kontakt herzustellen.

1. Um die Zielperson als V-Mann (Spion) anzuwerben.
2. Um belastende Aussagen und Informationen zu bekommen.

Es liegt weder in deren Interesse entlastende Aussagen zu verwerten, noch sind sie bemüht den Kreis von “Gefährdern” zu verringern. Denn im Grunde ist jeder Gefährder für diese Behörden eine weitere offene Informationsquelle, weil er mit dieser Bezeichnung kein freier Mensch mehr und zur Überwachung freigegeben ist. Und das ist noch nicht alles …

Bereits im Jahre 2007 äusserte sich der damalige Innenminister Schäuble dazu, wie man mit Menschen umgehen solle, die diesen Stempel “Gefährder” aufgedrückt bekommen.

Schäuble macht ernst: Für den Anti-Terror-Kampf fordert der Innenminister im Gespräch mit dem SPIEGEL eine deutliche Ausweitung der staatlichen Befugnisse. Seine Liste reicht von Handy- und Internetverboten bis zur vorsorglichen Internierung von Gefährdern.

Hamburg – “Man könnte beispielsweise einen Straftatbestand der Verschwörung einführen, wie in Amerika”, sagte Schäuble im Gespräch mit dem SPIEGEL. Zudem denke er darüber nach, ob es Möglichkeiten gebe, “solche Gefährder zu behandeln wie Kombattanten und zu internieren”.

Der Bundesinnenminister verwies beispielhaft darauf, dass es den sogenannten Unterbindungsgewahrsam für Hooligans bei Fußballspielen gibt, wenn auch in engen rechtlichen Grenzen. Daneben denkt Schäuble über “Auflagen” für Gefährder nach, die man nicht abschieben könne: “Etwa ein Kommunikationsverbot im Internet oder mit dem Handy.”

(http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,493094,00.html)

Ich schreibe hier übrigens nicht vom Hörensagen, sondern aus eigener Erfahrung. Wer einmal einen Blick in den Bericht eines solchen “Gefährder-Gespräches” werfen konnte (wie es mir im Rahmen einer Akteneinsicht möglich war), der wird ganz sicherlich ungläubig mit die Ohren schlackern. Erst im Nachhinein musste ich dann der Rechtsanwältin Recht geben, die entsetzt zu mir sagte:

“Das war wirklich dumm! Mit denen redet man grundsätzlich nicht, … auch nicht wenn man nichts zu verbergen hat ! ! !”

Und hier noch ein juristischer Ratschlag. Man darf in Deutschland nicht zu einer Aussage oder einem Gespräch gezwungen werden, es sei denn durch eine richterliche und staatsanwaltliche Anordnung. Weder Polizei, LKA, BKA noch Landes-VS oder Bundes-VS haben das Recht Aussagen oder Gespräche zu erzwingen. Nehmt euer Recht in Anspruch und mißtraut diesen Leuten offen.

Und übrigens: Ich weiß bis heute nicht, ob ich nun als Gefährder gelte oder nicht, denn darüber wird man natürlich nicht aufgeklärt.

Zum Abschluss hier ein recht interessanter Kurzfilm zum Thema, unbedingt anschauen:

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

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