Ibn Khaldun – Allah sei ihm gnädig – war ein muslimischer Gelehrter des 14. Jahrhunderts (christl. Zeitrechnung). Seine monumentale Einführung (al-Muqaddimah) zu seinem Geschichtswerk ist weltbekannt und wird bis zum heutigen Tage von Wissenschaftlern verschiedendster Fachbereiche hoch geschätzt. Durch dieses Werk gilt Ibn Khaldun heute als Gründervater der Soziologie. Sein Fachwissen auf den Gebieten der Historie, Ökonomie, isl. Rechts- und Politikwissenschaft und Psychologie war und ist unumstritten.
„Du musst wissen, dass das feindliche Vorgehen gegen die Menschen um ihrer Besitztümer willen die Hoffnung darauf, solche zu erlangen und zu erwerben, zunichtemacht, weil sie sehen, dass ihnen diese am Ende entrissen werden.
Wenn dann ihre Hoffnung auf Erwerb und Erlangung von Besitz entschwunden sind, streben sie nicht mehr danach. Je nach dem Ausmaß der Übergriffe und im Verhältnis dazu halten sich die Untertanen vom Streben nach Erwerb zurück. Wenn nämlich der Übergriff stark ist und sich auf alle Bereiche des Lebensunterhalts erstreckt und die Ungerechtigkeit überall eindringt, dann stehen sie dementsprechend vom Erwerb ab, denn sie nimmt alle Hoffnung hinweg.
Wenn jedoch der Übergriff gering ist, lassen sie im Verhältnis dazu vom Erwerb [weniger] ab. Die Kultur, ihre Gesundheit und die Lebhaftigkeit ihrer Märkte sind doch abhängig von den Tätigkeiten und dem Streben der Menschen nach Nutzen und Gewinn im ständigen Hin und Her.
Wenn sich die Menschen jedoch vom Gewinn des Lebensunterhalts zurückhalten und ihre Hände vom Erwerb fernhalten, dann flauen die Märkte der (jeweiligen) Kultur ab, alles schrumpft zusammen, und die Menschen zerstreuen sich in die (verschiedenen) Gegenden einer anderen Provinz, auf der Suche nach Versorgung in einem Bereich, der außerhalb ihres Gebietes liegt.“
(Ibn Khaldun, Die Muqaddima, neu übersetzt von Alma Giese, Seite 263-264)