Die Pflichten gegenüber den leibeigenen Knechten und Mägden

von Yahya ibn Rainer

Sicherlich habt ihr es auch schon vernommen, denn es ist in aller Munde: Der „Islamische“ Staat hat in seinem Einflussbereich die Leibeigenschaft (auch: Sklaverei) wieder eingeführt.

Dem muslimischen Recht entsprechend, darf mit feindlichen Kriegsgefangenen auf 4 verschiedene Weisen verfahren werden. Hierzu zitiere ich aus einer herrschaftsrechtlichen Abhandlung des weithin anerkannten Rechtsgelehrten Abū l-Hasan al-Māwardī (364-450 n.H.):

„Die zweite Sache, die passieren kann, ist, dass Allah den Sieg über sie beschert, sie jedoch Götzendiener bleiben (wollen), in diesem Fall werden ihre Frauen und Kinder gefangen genommen, und ihr Vermögen wird zu Beute, und diejenigen (unter den Männern), die nicht als Gefangene genommen werden, werden zu Tode gebracht.

Die Gefangenen betreffend, hat der Anführer die freie Wahl, aus vier möglichen Vorgehensweisen die jeweils nützlichste zu beschließen:

Die erste lautet, dass man sie zu Tode bringt, indem man ihre Hälse durchtrennt [was allerdings nur die volljährigen männlichen Gefangenen betrifft];
die zweite, dass man sie versklavt und somit die Gesetze der Sklaverei über ihre Freilassung oder ihren Verkauf Geltung haben;
die dritte, dass man sie gegen Lösegeld, Waren oder Gefangene austauscht;
und die vierte, dass man ihnen die Gunst erweist und ihnen verzeiht (und sie somit frei sind).“

(Abū l-Hasan al-Māwardī in Al-aḥkām as-sulṭānīya, 5. Abschnitt des 4. Kapitels „The Amirate of Jihaad“)

Dass der „Islamische“ Staat von der ersten Vorgehensweise weithin Gebrauch macht, das wissen wir aus zahlreichen professionell produzierten Videobeiträgen. Auch die dritte Praxis ist uns schon zu Ohren gekommen und stellt eine nicht unbeträchliche Einnahmequelles des Staates dar. Von der vierten Vorgehensweise mit Kriegsgefangenen kann man derweil nicht allzu oft etwas vernehmen, sie soll aber vorkommen.

Was uns an dieser Stelle jedoch interessiert, ist die zweite Praxis, nämlich die Überführung der Kriegsgefangenen in die Leibeigenschaft. In heutiger Zeit hört sich das wirklich schlimm  und rückständig an, allein schon aus dem Grunde, weil die sogenannte Sklaverei bei uns im Westen (speziell in den  USA) schon vor etwa 150 Jahren abgeschafft wurde.

Als Alternative für Kriegsgefangene hat man in den letzten 150 Jahren spezielle Internierungslager (Konzentrationslager, Arbeitslager, Gulags usw.) konstruiert und eingesetzt. Während die KZs zur Nazi-Zeit und die gefürchteten Gulags zu Stalins Zeiten den Höhepunkt an alternativer Kriegsgefangenenbehandlung repräsentieren, sind Abu Ghraib (Irak) und Guantanamo (Kuba) zwei Namen, die den gegenwärtigen Umgang mit diesem Phämomen aufzeigen.

Man kann jetzt freilich großartig darüber streiten, welche Form der Kriegsgefangenenschaft nun entwürdigender, entrechtender und zerstörerischer ist bzw war. Dies möchte ich hier aber nicht tun. Mir geht es im Speziellen um die Praxis der Leibeigenschaft, wenn man sie gemäß den Weisungen Allahs und Seines Gesandten – Allah segne ihn und schenke ihm Heil – vollzieht.

Besonders auffallend scheint mir, bei der Praxis der Sklaverei im „Islamischen“ Staat, dass besonders weibliche leibeigene Mägde von den zumeist jungen Männern dort vor allem zum Vollzug des Geschlechtverkehrs käuflich erworben werden. Nun ist für den Mann der sexuelle Verkehr mit seiner leibeigenen Magd islamrechtlich nicht verboten, auch nicht, wenn beide nicht miteinander verheiratet sind. Vielmehr ist dies sogar ausdrücklich durch den Quran erlaubt.

Doch schaut und hört man sich diverse Videos von jungen Männern des „Islamischen“ Staates an oder liest die diversen Verlautbarungen in den sozialen Netzwerken dazu, dann offenbart sich ein sehr verstörendes Bild. Denn anscheinend verspüren nicht wenige dieser Kerls eine große Lust darauf, diesen Geschlechtsakt vor allem mit solchen Mägden zu vollziehen, die sich dagegen sträuben, die ihm nicht freiwillig beiwohnen wollen. Es soll, besonders jesidische Mädchen und Frauen betreffend, geradezu gefeierte Vergewaltigungen gegeben haben, von denen man danach stolz und sich-freuend gegenseitig und öffentlich berichtete.

Anscheinend sind diese Jungen nicht nur mit einem perversen höchst-gewaltaffinen Sexualfetisch geschlagen, sondern haben auch nicht die geringste Ahnung von einem gottesfürchtigen Umgang mit leibeigenen Dienern und anderen Untergebenen. Wer im Umgang mit Kriegsgefangenen solcherlei unmoralische und charakterlose Umgangsformen an den Tag legt, hat die Praktiken von Abu Ghraib und Guantanamo nicht nur fabelhaft kopiert, sondern in gewisser Weise auch ihren weiteren Bestand mitbegründet.

Ich möchte in diesem Zusammenhang gern einen Auszug aus dem Buch Kimiya-yi sa’ādat des großen Rechtsgelehrten Abū Hāmid Muhammad al-Ghazālī bemühen. In diesem ursprünglich persischsprachigen Werk geht er auf viele Themen ein, die er zuvor in seinem legendären Hauptwerk Ihya ulum ad-din behandelte, vor allem aber auch auf die Rechte der Verwandten und der verschieden anderen Menschen, mit denen man persönlich zu tun hat. Im folgenden Kapitel geht es um die Pflichten gegenüber den leibeigenen Dienern.
[Die Übersetzung stammt von Hellmut Ritter und wurde leicht von mir redigiert. Unterstriche stammen ebenfals von mir.]

Der Gesandte Allahs spricht:
«Seid gottesfürchtig in der Behandlung eurer (leibeigenen) Diener und Untergebenen. Gebt ihnen zu essen von dem, was ihr esst, und kleidet sie mit dem, womit ihr euch kleidet, und ladet ihnen nichts auf, was ihnen zu schwer ist. Behaltet die, die euch angenehm sind, und verkauft die anderen, aber quält nicht die Geschöpfe Allahs. Allah hat sie zu euren Dienern und Untergebenen gemacht, aber wenn er wollte, so könnte er euch leicht zu ihren Untergebenen machen.»

Ein Mann fragte den Gesandten Allahs:
«Wie oft sollen wir unseren leibeigenen Dienern verzeihen?»
Er sagte: «Siebenzigmal.»

Man fragte den (Sahabi) Ahnaf ibn Kais:
«Von wem hast du die Großzügigkeit (Toleranz) gelernt?»
Er sagte: «Von Kais ibn Asim. Ihm brachte einst eine leibeigene Magd ein heißes Rösteisen mit Fleisch; es fiel ihr aus der Hand und traf sein Söhnchen, das daran starb. Die Magd aber verging vor Angst. Da sagte er zu ihr: „Sei ruhig, du hast keine Schuld, und ich lasse dich frei um Allahs Willen.“»

Aun ibn Abdallah (ein Zeitgenosse des Umayyadenkalifen Umar ibn Abd al-Aziz) pflegte zu sagen, wenn ein leibeigener Diener ihm nicht gehorchte:
«Du machst es deinem Herrn nach. So wie er gegen seinen Herrn ungehorsam ist, bist du es gegen deinen Herrn.» Und als ihn ein Sklave einst zum Zorne reizte , sprache er: «Du willst nur, dass ich dich schlagen soll. Geh hin, du bist frei.»

Ibn al-Munkadir (gest. 130 n.H.) erzählt:
«Einer von den Gefährten des Propheten schlug einst seinen leibeigenen Knecht. Da begann der Knecht zu schreien: „Ich bitte dich um Allahs Willen! Ich bitte dich um Allahs Angesichts Willen!“ Da der Gesandte Allahs das Schreien des Sklaven hörte, ging er zu dem Manne. Als dieser des Gesandten Allahs sah, hörte er zu schlagen auf. Da sprach der Gesandte Allahs zu ihm: „Der Knecht hat dich um Allahs Angesichts Willen gebeten, und du hast ihm nicht verziehen, als du aber mich sahst, zogst du deine Hand zurück?“ Da sprach der Mann: „Er soll frei sein um Allahs Willen, o Gesandter Allahs!“ Da sprach der Prophet: „Hättest du das nicht gesagt, so würde die Flamme des Höllenfeuers dir ins Gesicht schlagen“»

Abu Mas’ud al-Ansari (der Sahabi) schlug einst einen seiner leibeigenen Diener. Da hörte er jemanden hinter sich seinen Namen rufen. Er wandte sich um und sah den Propheten vor sich stehen; der sprach zu ihm:
«O Abu Mas’ud, Allah hat mehr Macht über dich als du über diesen hier.»

Der Gesandte Allahs hat gesagt:
«Jeder, dem sein Untergebener das Essen kocht und die Mühe des Kochens auf sich nimmt und den Rauch des Herdes erträgt und ihm selbst all das erspart, der lasse ihn neben sich sitzen und esse mit ihm. Und wenn er das nicht tut, so nehme er einen Bissen, tauche ihn in Fett, stecke ihn mit eigner Hand dem Diener in den Mund und spreche: „Iss!“»

und Allah weiß es am besten.

So besteht also die Pflicht gegenüber dem leibeigenen Diener darin, dass du es ihm an Nahrung und Kleidung nicht fehlen lässt, nicht mit Hochmut auf ihn herabsiehst, sondern bedenkst, dass auch er ein Mensch ist wie du. Wenn er aber einen Fehltritt begeht, so sollst du an die Fehltritte und Vergehen denken, die du dir selbst gegen Allah zuschulden kommen lässt. Und wenn du auf ihn zornig bist, so sollst du an die Macht denken, die Allah über dich hat. Denn die Macht Allahs über dich ist größer als deine Macht über deinen Diener.

Wer diese Worte aufrichtig liest und ein gesundes Herz hat, wird nicht umhin kommen, jegliche (auch sexuelle) Gewalt gegen die leibeigene Dienerschaft zu verabscheuen.

Ob ein Kriegsgefangener jedoch besser dran ist, wenn er in einem KZ, Gulag, Arbeitslager bzw. us-amerikanischen Kriegsgefangenlager interniert ist, oder wenn er bei einer gottesfürchtigen Familie als Knecht bzw. Magd im Haushalt hilft, Botengänge erledigt und am öffenltichen Leben teilnimmt, das kann jeder selbst für sich entscheiden.

Wa Allahu 3alem

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

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