Herr Ranft, was meinen Sie denn zu den Anschlägen in #Paris?

von Yahya ibn Rainer

Ich möchte keinen Roman daraus machen. Ich verabscheue das gesellschaftliche Klima hier in Europa, wenn Vorfälle solcherart – wie nun in Paris – geschehen. Weltweit sterben tagtäglich Menschen durch die Hände anderer Menschen. Buddhisten metzeln in Burma, Christen metzeln Zentralafrika, Uganda, Südsudan usw., Alawiten metzeln in Syrien, Schiiten metzeln im Irak, Kommunisten metzeln in Nordkorea, Kolumbien und in Anatolien usw. usf., aber niemand erwartet von ihnen hierzulande immer und immer wieder eine Distanzierung.

Dass die muslimischen Täter häufig – oder eigentlich fast immer – Resultate der hiesigen Gesellschaft sind, wird ausgeblendet, und auch, dass Tragödien, wie diese in Paris, an anderen Orten dieser Welt fast täglich passieren, nicht selten sogar unter Beteiligung unserer Staaten (Zivile Opfer durch Drohnenkrieg, Luftschläge usw.)

Trotz alledem möchte ich mich an dieser Stelle zu den Anschlägen in Paris äußern. Nicht direkt, aber allgemein, und zwar mit einem Auszug aus der Selbstdarstellung der ehemaligen Taiba-Moschee in Hamburg, die im August 2010 – kurz vor Ramadan – von Polizeikräften gestürmt, geplündert und vom Staat verboten wurde.

Sie war ein Ort, an dem alle Muslime willkommen waren, auch sogenannte „Salafisten“, und an dem in qualifizierten Unterrichten die Methode und Glaubensdoktrin der Übertreiber im Takfir (der auch die meisten IS-Sympathisanten heute anhängen) widerlegt wurde. Diese Moschee war ein Ort, an dem junge Heißsporne gemeinsam mit älteren und gemäßigten Muslimen eine Gemeinschaft bildeten und eine religiöse Autorität zu Fragen qualifizierte Antworten geben konnte.

Die Selbstdarstellung dieses Moscheevereins war auf seiner Website offen einsehbar. Auf die Frage hin, was ich denn nun zu den Anschlägen von Paris meinen würde, brauche ich nichts weiteres, als diese Selbstdarstellung zu zitieren:

Ein jeder Krieg ist etwas grausames. Ein Krieg hat nur Opfer. Ein gerechter Frieden jedoch hat nur Sieger.

Besonders schlimm ist ein Krieg jedoch, wenn Unschuldige und Unbeteiligte in Mitleidenschaft gezogen werden. Egal auf welcher Seite eines Konfliktes diese Opfer auch zu beklagen sind und völlig egal auch, ob man ihre Einbeziehung als Terrorismus oder Kollateralschaden bezeichnet. Wir empfinden es als eine Ungerechtigkeit und unterstützen keine Sichtweise die diesen Umstand als gerechtfertigt ansieht.

Und wenn ich schon dabei bin, daraus zu zitieren, möchte ich auch diesen Teil nicht verschweigen:

Unser Verein steht jedem Menschen offen. Nicht nur Muslime sind bei uns gern gesehen. Auch Angehörige anderer Glaubensrichtungen sind herzlichst eingeladen und können sich bei uns über den Islam informieren oder mit Problemen zu uns kommen. Wir bieten gerne unsere Hilfe an, wenn es um Verständnisprobleme geht: Seien diese sprachlich oder zwischenmenschlich. Bei Interesse sind wir zu gesellschaftlichen Kooperationen bereit. Austausch, Hilfestellung und gemeinsame Zielsetzung sind Bestandteile, die auch wir für ein friedliches und freundschaftliches Zusammenleben für nötig halten. […]

Leider ist ein fortschreitender Werteverfall auch in der muslimischen Gemeinschaft zu beobachten. Die steigende Jugendkriminalität in unserer Gesellschaft ist besorgniserregend und der überdurchschnittliche Anteil an Jugendlichen aus muslimischem Elternhaus ist nicht zu übersehen. Diese Tatsache ist nicht nur eine Gefahr für die Gesellschaft, sondern auch eine Frage der Glaubwürdigkeit für die Muslime in diesem Land. Menschen, die den Islam praktizieren, werden zwangsweise mit diesem Problem konfrontiert und zu Recht auch in die Pflicht genommen.

Einem Muslim ist es bei Strafe verboten, zu stehlen, zu betrügen und seinen Mitmenschen gegenüber grundlos gewalttätig aufzutreten. Genauso ist auch der Konsum, Kauf, Verkauf und Umgang mit Rauschmitteln absolut verboten. Wir Muslime glauben fest daran, für unser Handeln vor dem allmächtigen Gott verantwortlich zu sein und für derartige Verfehlungen dereinst schwer bestraft zu werden. Dieses Wissen über Verbotenes und Verpflichtendes wollen wir verstärkt an die muslimische Jugend vermitteln und ihnen eine Orientierungshilfe bieten, indem wir ihnen eine Aufgabe in der Gemeinschaft und in der Gesellschaft zuteilen.

Wir möchten Ansprechpartner und Dienstleister sein, wenn es um Fragen des interkulturellen und interreligiösen Umgangs geht. Wir möchten offen erkennbar unsere Hand ausstrecken und energisch vorhandene Schranken beseitigen. Wir wünschen uns eine Renaissance des Islams wie er wirklich ist und das inmitten unserer deutsch-hamburgischen Gesellschaft als deren Bestandteil.

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Über Jens Yahya Ranft

Jens Yahya Ranft, Jahrgang 1975, verheiratet, 3 Kinder, Geschäftsführer und Prokurist in einem kleinen deutsch-arabischen Unternehmen. Urheber dieses Blogs. Liest und publiziert vor allem in den Bereichen Staats- und Religionsgeschichte, (Sozio-)Ökonomie, politische Philosophie und Soziologie.

7 Gedanken zu „Herr Ranft, was meinen Sie denn zu den Anschlägen in #Paris?

  1. „Glaubensdoktrin der Übertreiber im Takfir (der auch die meisten IS-Sympathisanten heute anhängen)“

    Assalamualaykum Yahya,
    kannst Du auf den o.g. Auszug genauer eingehen?
    Gibt es hierzu offizielle Aussagen/Nachschlagewerke (bzgl. des Takfirs auf Muslime) von IS oder deren mehrheitlichen Takfir-Sympathisanten? und wo genau liegt der Unterschied zwischen einen IS-Takfiri und einen IS-Nicht-Takfiri.

      1. Akhi, beruht die o.g. Aussage dann auf persönliches Empfinden oder woher kommt die Überzeugung, dass die >meisten< Sympathisanten Übertreiber im Takfir sind?

        1. Das entnimmt man u.a. den zahlreichen Kommentaren und Reaktionen von IS-Sympathisanten auf die Tötungen und Hinrichtungen von Richtern, Kämpfern und anderen Muslimen im Kampfgebiet und auch außerhalb.
          Für erschreckend viele ist die Bezeichnung „Sahawat“ einen Synonym geworden für Kuffar bzw. Murtadin, die man überall und immer töten darf. Gefangengenommenen Mujahedin wird vor ihrer Hinrichtung nicht einmal die Verrichtung eines Gebetes gestattet.
          Recht viele Gelehrte sehen im IS gar ein Sammelbecken der Khawarij.

  2. Distanzierung die von mir verlangt werden sind eine beleidigung und indirekt eine understellung.Das verbiete ich mir von der Mehrheitsgeselschaft und allg.

    Falls jemand sagen sollte:Warum stehen die Muslime nicht Weltweit auf und Distanzieren sich davon? Da könnte man auch folgende frage stellen:Warum stehen die Christen nicht auf wenn mal wieder Kinder Vergeewaltigt wurden sind von der Kirche?

    Warum stehen die Amerikaner und coo nicht auf wegen den Dronen und Guantanamo?

    Mann sollte es wie beim Fussbal machen.Den ball zurück schiesen.

    Fazit:Ball flach halten.

  3. As-salamu alaykum wa rahmatullahi wa barakaatuhu

    Mein Lieber Bruder im Islam ich enscthuldige mich vorab erstmal.Ich habe keine andere idee wie ich ihnen schreiben kann.Ich habe ein Video auf youtube entdeckt das sich mit dem begriff ´´Islamofaschismus? ´´ beschäftigt.

    Schauen sie sich mal bitte das video an.Es kann sein das sie daraus etwas entnehmen können .Hier das video: https://www.youtube.com/watch?v=X5HP4csvP08

    Möge Allah sie reichlich belohnen.

    1. Wa alaykum assalam wa rahmatullahi wa barakatuh

      Wenn Sie mich nicht weiterhin per Kommentar anschreiben möchten, dann nehmen Sie doch meine E-Mail-Adresse. Diese finden Sie auf diesem Blog unter „Über mich“.

      http://www.al-adala.de/Neu/?page_id=14

      Leider sehe ich mich jedoch nicht in der Lage, jede einzelne E-Mail zu beantworten oder allen Lese- & Video-Empfehlungen nachzukommen.
      Dafür bitte ich um Verständnis.

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